Durchlöchert
Eine ganz andere Alternative diskutieren mein amerikanischer Kollege Alan Covich und ich in einer aktuellen Veröffentlichung. Mir fielen nämlich beim Durchsehen großer Mengen von Material kleine und unauffällige Löcher mit einem Durchmesser von unter 1 mm in den Gehäusen einiger Schnecken auf. Zunächst dachte ich an einen Zufall.
Eine genauere Sichtung ergab aber, dass diese Löcher nur in bestimmten Gehäuseformen aus einer bestimmten Gesteinsschicht vorkommen und zwar in den massiven und rundlichen Gehäusen von Gyraulus trochiformis. In den kleineren und fragileren Gehäusen der anderen Schichten fehlen sie vollständig. Außerdem zeigte sich, dass die Löcher relativ regelmäßig sind und nur an bestimmten Stellen der Gehäuse vorkommen.
Weiters gab es Kratzspuren und Dellen, die als „unvollständige Löcher“ interpretiert werden konnten.
Alles in allem war sofort klar, dass diese Löcher nicht durch Zufall entstanden sein können und auch nicht durch irgendwelche mechanischen Einflüsse bei der Fossilwerdung.
Eine Umfrage bei Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt ergab: Keiner kannte solche Löcher. In keinem fossilen oder rezenten See war jemals etwas Vergleichbares gefunden worden.
Alle standen vor einem Rätsel: Gab es diese perforierten Gehäuse nur im Steinheimer Becken oder hatte schlichtweg noch keiner so genau hingesehen? Es gibt durchaus einige Tiere, die Schneckenschalen anbohren und zerbrechen können, aber eben nicht in dieser Form. Also prüfte ich, welche Organismen als Täter für diese Löcher in Frage kamen – eine nicht-biologische Ursache konnte ja ausgeschlossen werden. Nach einer Sichtung der Literatur und der Fossilien des Steinheimer Beckens war dann aber der Übeltäter doch relativ schnell festgemacht. Im Sediment finden sich gemeinsam mit den Schnecken nämlich noch andere auffällige Fossilien: die Schlundzähne von Schleien (Tinca micropygoptera). Diese sitzen innen auf umgebildeten Kiemenbögen und haben eine einfache Aufgabe: Mit ihnen knackt der Fisch hartschalige Organismen, bevor er sie schluckt. Solche „durophagen Gebisstypen“ verraten viel über die Ernährungsgewohnheiten von Tieren – in diesem Fall der Schleien.
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