Herpetologen graben nicht nach Gold, sie graben nach Fröschen!

01.04.2014 | Nadine Hammerschmidt

Kriechtiere sind in unserer Gesellschaft nicht bevorzugte Haus- oder Kuscheltiere, aber dafür sind sie auch nicht geeignet. Manche Lebensweisen sind bei näherem Hinschauen oft hoch komplex, ihre Ökologie wird von vielen kleinen Faktoren beeinflusst und gelenkt. Manche Amphibien sind regelrechte Überlebenskünstler!

Der Ameisenfrosch Lithodytes lineatus (Bild: N. Hammerschmidt / SMNS).

Forschungsreise in den peruanischen Regenwald

Einer dieser Überlebenskünstler lebt im Regenwald Südamerikas. Sein wissenschaftlicher Name lautet Lithodytes lineatus. Seine Erforschung begann vor über 30 Jahren, als Dr. Andreas Schlüter im peruanischen Regenwald während eines Forschungsaufenthaltes an der biologischen Station Panguana Froschrufe unterschiedlicher Arten untersuchte.

Im Regenwald machen die verschiedensten Froscharten durch Rufe auf sich aufmerksam. Die meisten Frösche sitzen auf Blättern, im Laub oder weit oben in den Bäumen. Doch den leisen Pfeifton von Lithodytes (Leptodactylus) lineatus lokalisierte Andreas Schlüter damals überraschenderweise im Bau von Blattschneiderameisen. Die Blattschneiderameisenart Atta cephalotes legt in ihren großen Bauten verzweigte Tunnelsysteme an und entgegnet Eindringlingen sehr aggressiv.

Skurille Kinderstube

Warum sich L. lineatus im Ameisenbau aufhält, blieb für Andreas Schlüter über Jahrzehnte unbeantwortet, bis er zusammen mit einem Fernsehteam einen Ameisenbau abgrub und in dessen tiefstem Inneren seine Kaulquappen entdeckte: Der Ameisenfrosch entwickelt sich offenbar im Ameisenbau!

Um mehr über seine Lebensweise zu erfahren, reisten Andreas Schlüter und ich im November 2013 in den peruanischen Primärregenwald zu unserer Basisstation, dem Explorers Inn. In deren Umgebung war die Suche nach L. lineatus bald erfolgreich: Aus mehreren Nestern von Blattschneiderameisen orteten wir den monotonen Pfeifruf des Ameisenfrosches.

Wir wollten eine Antwort auf die Frage finden, wie es L. lineatus schafft, sich die agressiven Blattschneiderameisen vom Leib zu halten. Hierbei könnten so genannte Kairomone, Botenstoffe zwischen verschiedenen Tierarten, eine Rolle spielen. Denkbar wäre etwa, dass der Frosch aus seinen Hautdrüsen ein Abwehrsekret ausscheidet oder aber Geruchsstoffe, mit denen er sich als Blattschneiderameise tarnt. Eine weitere denkbare Hypothese für die Duldung im Ameisenbau wäre auch eine „geruchsfreie“ Camouflage.

Explorers Inn, Tambopata, PeruExplorers Inn, Tambopata, Peru
Explorers Inn, Tambopata, Peru (Bild: N. Hammerschmidt).

Mit Endoskop-Kamera auf den Spuren des Ameisenfrosches

Um an das Hautdrüsensekret des Frosches zu gelangen, suchten wir mit einer Endoskop-Kamera das Tunnelsystem und die verschiedenen Nesteingänge in Ameisenbauten ab, entschieden uns für einen Tunnel, in dem wir einen pfeifenden Ameisenfrosch vermuteten und gruben den Bau mit Schaufel und Spaten ab. Um sicher zu gehen, dass ein darin befindlicher Ameisenfrosch dabei nicht verletzt wird, kontrollierten wir regelmäßig den Tunnel mit der Endoskop-Kamera. Bereits nach wenigen Stunden entdeckten wir unseren ersten Lithodytes linneatus im Ameisentunnel. Wir blockierten mit einem Spaten den Tunnel hinter dem Frosch, damit er nicht tiefer in den Ameisenbau flüchten konnte und gruben vorsichtig mit den Händen weiter. Trotz der angreifenden Soldatenameisen konnten wir das Tier sicher fangen. Dabei benutzten wir Handschuhe, um störende Einflüsse auf das Hautsekret zu vermeiden.

Zur Beprobung des Frosches setzten wir ihn in eine kleine Plastiktüte und warteten, bis er eine ausreichende Menge an Hautsekret an der Innenseite der Tüte abgerieben hatte. Danach wuschen wir ihn mit destilliertem Wasser und entließen ihn in eine kleine Box mit Wasser, um ihn über Nacht zu hältern und am nächsten Tag erneut eine Probe des Hautsekretes zu gewinnen.

Ameisenfrosch im Blattschneiderameisen-TunnelAmeisenfrosch im Blattschneiderameisen-Tunnel
Ein erster Blick mit der Endoskop-Kamera auf den Ameisenfrosch im Blattschneiderameisen-Tunnel (Bild: N. Hammerschmidt / SMNS).

Ein erfolgreicher Monat

In 4 Wochen gruben wir insgesamt 16 Frösche aus, von denen wir etwa 100 Proben an Hautsekreten gewannen. Zudem fanden wir 3 Schaumnester mit Kaulquappen unterschiedlicher Entwicklungsstadien. Anschließend verbrachten wir zwei Wochen im chemischen Labor der Uni Catholica in Lima, um die fast 100 genommenen Proben im Gaschromatographen auf Geruchsstoffe zu analysieren. Zurück in Deutschland arbeiten wir nun mit anderen Wissenschaftlern zusammen, um das Geheimnis des Ameisenfrosches endgültig zu lüften und noch dieses Jahr unsere Ergebnisse zu veröffentlichen.

Chrissie und Daniel Cloete, Jose Perez, Nadine Hammerschmidt, Andreas SchlüterChrissie und Daniel Cloete, Jose Perez, Nadine Hammerschmidt, Andreas Schlüter
Unser Team (v.l.n.r.): Chrissie und Daniel Cloete, Jose Perez, Nadine Hammerschmidt, Andreas Schlüter nach dem Fang des ersten Frosches! (Bild: C. Cloete).

Literatur

  • Schlüter, A., Löttker, P. & K. Mebert (2009): Use of an active nest of the leaf cutter ant Atta cephalotes (Hymenoptera: Formicidae) as a breeding site of Lithodytes lineatus (Anura: Leptodactylidae). – Herpetology Notes 2: 101-105.
  • Schlüter, A. & J. Regös (1996): The Tadpole of Lithodytes lineatus – with Note on the Frogs Resistance to Leaf-Cutting Ants (Amphibia: Leptodactylidae). – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Ser. A: 1-4.
  • Regös J. & A. Schlüter (1984): Erste Ergebnisse zur Fortpflanzungsbiologie von Lithodytes lineatus (SCHNEIDER, 1799) (Amphibia: Leptodactylidae). – Salamandra 20(4): 252-261.
  • Schlüter, A. & J. Regös (1981): Lithodytes lineatus (SCHNEIDER, 1799) (Amphibia: Leptodactylidae) as a dweller in nests of the leaf cutting ant Atta cephalotes (LINNAEUS, 1758) (Hymenoptera: Attini). – Amphibia Reptilia 2(2): 117-121.

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