Some like it hot: Ein Süßwasserkrebs vom heißesten Ort der Erde

08.09.2020 | Dr. Hossein Rajaei

Die Wüste Lut im Iran ist der heißeste Ort der Welt. Trotzdem lassen sich in diesem extrem lebensfeindlichen Umfeld Lebewesen finden. Süßwasserkrebse sind aber nicht direkt das, was man in einer Wüste erwartet!

Wüste Lut (Bild: H. Rajaei).

Eine extreme Expedition

Die Wüste Lut – auch bekannt als Dasht-e Lut – liegt im Südosten des Irans zwischen dem 33. und dem 28. Breitengrad. Mit  51.800 km2 ist die zweitgrößte Wüste des Irans größer als die Schweiz. In der Wüste Lut wurden die höchsten je auf der Erde beobachteten Oberflächentemperaturen gemessen: Basierend auf Satellitenmessungen der NASA wurde im Jahr 2006 70,7 °C nachgewiesen, mittlerweile wurde dieser Rekordwert sogar noch auf 80,8 °C erhöht. Diese enormen Temperaturen sind unter anderem auf sehr dunkles Geröll zurückzuführen, welches sich besonders stark aufheizt. Die täglichen Durchschnittstemperaturen schwanken zwischen -2,6 °C im Winter und 50,4 °C im Sommer und der durchschnittliche Niederschlag beträgt nur 30 Millimeter pro Jahr.

In dieses extrem lebensfeindliche Gebiet führten in den Jahren 2015 bis 2017 drei interdisziplinäre wissenschaftliche Expeditionen. Das Ziel: Die Erforschung der Ökologie, Biodiversität, Geomorphologie und Paläontologie dieses Hotspots. Zweimal war ich mit dabei – einen Expeditionsbericht von 2016 gibt es hier im Science Blog. Eigentlich bin ich Spezialist für die Schmetterlinge, und diesen galt deshalb natürlich mein ganz besonderes Interesse. Aber ebenso neugierig bin ich als Biologe auf alles andere Lebendige. Und bei einer Expedition in einem so extremen Lebensraum wie der Wüste Lut sind alle Sensoren „scharf geschaltet“ – besonders, wenn man auf Wasser trifft.

Wasser in der Wüste

Gewässer sind in Wüsten absolute Mangelware. In der Wüste Lut gibt es außer dem ganzjährig wasserführenden Rud-e Shur, einem Fluss mit extrem hohem Salzgehalt, keine permanente Wasserquelle. Nach stärkeren Regenfällen können sich aber vereinzelt temporäre Gewässer bilden. Vom Rud-e Shur wurde zwar eine vielfältige Fauna von Archaeen beschrieben, aber insgesamt ist aquatisches Leben dort kaum nachgewiesen. Deshalb zog mich ein kleiner, temporärer See, auf den wir im Süden der Wüste Lut stießen, magisch an – und tatsächlich gelang es mir, dort Krebse zu beobachten! Mehrere davon sammelte ich als wissenschaftliche Belege. Sie erwiesen sich als Feenkrebse (Branchiopoda: Anostraca), auch bekannt als „Urzeitkrebse“. Sie vermehren sich mit Hilfe von Dauereiern. Diese sind außerordentlich widerstandsfähig und können Jahrzehnte im trockenen Wüstenboden überleben. Erst wenn sich die Gewässer nach einem der seltenen Regenfälle wieder für kurze Zeit füllen, schlüpfen die Larven. An die  extremen Umweltbedingungen der Wüste Lut sind die Tiere also bestens angepasst.

Der Lebensraum der neu entdeckten Art Phallocryptus fahimii in der Wüste Lut. (Bild: H. Rajaei).

Eine neue Art!

Wie bei vielen artenreichen Gruppen braucht man für eine genaue Bestimmung einer Art einen Spezialisten. Ich wandte mich deshalb an den Crustaceenforscher Dr. Martin Schwentner vom Naturhistorischen Museum Wien. Und, was ich schon vermutet hatte: „Meine“ Krebse gehörten zu einer neuen, das heißt wissenschaftlich noch unbeschriebenen Art der Gattung Phallocryptus! Von den bisher bekannten vier Arten unterscheidet sie sich sowohl in sichtbaren Merkmalen als auch genetisch.

Die neue Art wurde zusammen mit Martin Schwentner und Alexander V. Rudov unter dem Namen Phallocryptus fahimii im Fachjournal „Zoology in the Middle East“ veröffentlicht. Benannt wurde die Art nach dem iranischen Herpetologen und Umweltschützer Hadi Fahimi. Hadi Fahimi war ein Teilnehmer der 2017er Expedition in die Wüste Lut und kam tragischerweise bei einem Flugzeugabsturz am 18.2.2018 ums Leben.

Literatur

Schwentner, M., Rudov, A. V. & Rajaei, H. 2020. Some like it hot: Phallocryptus fahimii n.sp. (Crustacean: Branchiopoda: Anostraca: Thamnocephalidae) from the hottest place on planet Earth. Zoology in the Middle East, DOI: https://doi.org/10.1080/09397140.2020.1805139

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