WERKSTATTBERICHT: Tips – die Cappuccinobärin aus Osnabrück

18.01.2019 | 

Eisbären sind doppelt bedroht. Einerseits direkt, durch die Zerstörung ihres Lebensraums, andererseits indirekt: Durch den Klimawandel begünstigt dringen Grizzlybären, eine in Nordamerika verbreitete Unterart des Braunbären, immer weiter nach Norden vor, in das Gebiet der Eisbären …

Den „typischen“ Hybridbären gibt es nicht. Jeder Hybride weist unterschiedlich starke Ausprägungen von Braun- und Eisbärmerkmalen auf. Die morphologischen Merkmale von Tips ähneln der ihrer Mutter: einer Braunbärin (Bild: U. Schmid).

Hybridisierung – Motor der Evolution oder Gefahr?

Wenn Braun- und Eisbären aufeinandertreffen, kann es zu artübergreifender Verpaarung kommen, deren Ergebnis fertile Hybridbären sind – auch Pizzlys, Grolars oder, aufgrund ihrer hellbraunen Fellfarbe, Cappuccinobären genannt. Die Nachweise solcher Mischlingsbären, in der Natur bislang äußerst selten, häufen sich nun zunehmend mit größer werdenden Hybridisierungszonen.

Warum aber stellt dies eine Gefahr für die Spezies Eisbär (Ursus maritimus) dar, wo Hybridisierung doch eigentlich als ein Motor der Evolution gilt? Es ist v.a. die vergleichsweise geringe Populationsgröße von geschätzten 22 000 – 30 000 Tieren gegenüber den mehr als 200 000 Braunbären (Ursus arctos). Denn die genetisch verankerten besonderen Merkmale in Verhalten und Morphologie an die jeweiligen Lebensräume der unterschiedlichen (Eltern-)Bärenarten gehen bei Hybriden verloren. Zumindest in der ersten Generation …

Hybridbären – „alte Bekannte“

Dass eine Hybridisierung verschiedener Bärenarten grundsätzlich möglich ist (zumindest in Zoos), ist lange bekannt. So kam es schon im Nill’schen Tiergarten (1871-1906) zur Geburt eines Mischlingsbären, der heute im StadtPalais Museum für Stuttgart zu sehen ist.

In Osnabrück war die Überraschung dennoch groß, als im Jahr 2004 das Zwillingspaar Tips und Taps als Sprösslinge eines Eisbären und einer Braunbärin geboren wurde.

Ein besonderes Präparat entsteht

Im März 2017 gelang der Hybridbärin Tips der Ausbruch aus ihrem Gehege in den Besucherbereich des Osnabrücker Zoos – ein Ausflug mit tödlichem Ausgang. Aus Sicherheitsgründen musste die Bärin erschossen werden. Im Museum am Schölerberg sollte Tips der Nachwelt aber erhalten bleiben. Daher vertraute man den renommierten Präparatoren des Naturkundemuseums Stuttgart (SMNS) den Auftrag an, ein Präparat anzufertigen.

Christin Scheinpflug, Jan Panniger (beide SMNS) und Francie Neinhuis (Osnabrück) fertigten die Dermoplastik an; Christiane Zeitler (SMNS) war für die Präparation des Skeletts verantwortlich.

Im November 2017 wurde die Bärin im Keller des Schloss Rosenstein abgezogen und die Knochen entfleischt. Es folgten die typischen Schritte für die Herstellung einer Dermoplastik, bei der auf einen maßstabsgetreuen Kunststoffkörper die gegerbte Originalhaut aufgezogen wird. So ganz typisch war die Präparation dann aber doch nicht – zumindest in der Vorbereitung –, da hier nicht irgendein Braun- oder Eisbär entstehen sollte, sondern Tips: die Cappuccinobärin, die vielen Zoobesuchern so vertraut war. Es genügte also nicht, für die Formung des künstlichen Körpers irgendwelche Vergleichsbilder von Braun- und Eisbären heranzuziehen, sondern ganz spezifische Recherche über Tips zu betreiben, zumal es nicht viele Hybridbären als Vergleichsobjekte gab und jeder Hybride unterschiedlich starke Ausprägungen von Braun- und Eisbärmerkmalen aufweist. Den „typischen“ Hybridbären gibt es also nicht.

„Von der Größe her, dem äußeren Erscheinungsbild mit dem Fettbuckel und der Physiognomie ist Tips eher Braunbärin – im Gegensatz zu ihrem Bruder Taps. Braunbär mit besonderem Fell und etwas längerer Schnauze“, sagte die Präparatorin Christin Scheinpflug nach erster Inaugenscheinnahme. Das dachten erst auch viele Zoobesucher, die Tips für eine etwas zu hell geratene Braunbärin hielten.

Zur Langen Nacht der Museen am 17.3.2018 wurde die Bärin vernäht und das sogenannte Finish der Präparation (Nachmodellieren und Kolorieren) vorgenommen. Erst da bemerkten die Präparatoren eine Besonderheit …

Christin Scheinpflug: „Ich habe schon einige Bären präpariert: zwei Eisbären, sechs Braunbären und drei Schwarzbären. Erst beim Finish fiel der Unterschied der Pfoten auf: Während Tips Vordertatzen einen breiten Mittelbalken mit langen Krallen haben (typisch Braunbär), weisen die Hinterpfoten eine unterbrochene Sohle auf. Und das ist ganz klar und eindeutig Eisbär.“

Dass noch mehr Eisbär in Tips steckte, entdeckte Christiane Zeitler bei der Skelettpräparation. Neben den Verletzungen durch die Gewehrkugeln konnte sie beim Schädelvergleich von Tips mit Braun- und Eisbär erkennen, dass das Gebiss eher dem ihres Vaters ähnelt. Auch der Schädel insgesamt ist schmal wie beim Eisbären.

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen anhand der Messdaten, Organe, Gewebe- und DNA-Proben werden genauere Einblicke in die Forschung über Hybride geben …

Eine letzte Besonderheit darf nicht unerwähnt bleiben: Eisbären haben in Anpassung an die kalte Polarregion eine schwarze Haut zur Wärmeabsorption, während die Haut der Braunbären hell ist. Es ist vielleicht keine große Überraschung, dass die Haut von Tips tatsächlich großflächig gefleckt ist.

Literatur

Stirling, I. (2009). Polar Bear – Ursus maritimus. Encyclopedia of Marine Mammals (Second Edition). https://doi.org/10.1016/B978-0-12-373553-9.00204-2

Kumar, Vikas & Lammers, Fritjof & Bidon, Tobias & Pfenninger, Markus & Kolter, Lydia & Nilsson, Maria & Janke, Axel. (2017). The evolutionary history of bears is characterized by gene flow across species. Scientific Reports. 7. 10.1038/srep46487. https://doi.org/10.1038/srep46487

Forschungsbericht 2014 – Max Planck Institut für Evolutionsforschung https://www.evolbio.mpg.de/2773014/research_report_7767673?c=8364

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