11.09.2017

„Außerirdischer“ in Baden-Württemberg entdeckt​​​​​​​

Pressemitteilung

Forscher identifizieren die ersten Reste eines Meteoriten in Baden-Württemberg. Einer der seltensten Meteoritentypen überhaupt liefert Erkenntnisse zu den Meteoriteneinschlägen in Steinheim am Albuch und Nördlinger Ries vor 14,8 Millionen Jahren.

Stuttgart, 11.09.2017. Objekten aus dem Weltall haftete immer schon etwas Besonderes an: Sei es durch die Romantik von Sternschnuppen am Nachthimmel oder auch durch ihre zerstörerische Kraft, die vor 65 Millionen Jahren durch einen Impakt zum Aussterben der Dinosaurier führte. So bietet der Sommerhimmel jedes Jahr ein besonderes Schauspiel: Die Meteorschauer der Plejaden, die auch mit bloßem Auge gut zu sehen sind und deren Sternschnuppen immer wieder für ein paar Wünsche gut sind.

Es klingt fast unglaublich: Ende des Jahres 2016 kam es zu einer weiteren astronomischen Sensation. Es wurde ein etwa zwei Zentimeter langes Bruchstück des Meteoriten gefunden, der den Meteoritenkrater Steinheimer Becken bei Heidenheim vor knapp 15 Millionen Jahren schlug. Der erste „Außerirdische“ in Baden-Württemberg war entdeckt. Und wo? Ausgerechnet im Meteorkrater-Museum im Sontheim, Steinheim am Albuch. Es kamen schon einige Zufälle zusammen, denn ein etwa einen Meter großer Kalksteinblock, der den Meteoriten umschloss, ist von so genannten Strahlenkegeln durchsetzt und konnte von den Museumsbesuchern nicht nur betrachtet, sondern auch angefasst werden. Ein Umstand, der vermutlich dazu beitrug, dass sich ein vorhandener Riss im Gestein öffnete. Aus Sicherheitsgründen wurde daraufhin ein kleiner Teil des Blocks entfernte. Die Überraschung war groß: Sowohl auf dem entfernten Stück als auch auf dem verbliebenen Block wurde ein metallisch glänzendes Bruchstück sichtbar, was auf einen Meteoriten hindeutete.

Entdeckter Meteorit schuf das Steinheimer Becken

Vom Meteorkrater-Museum aus fand das abgebrochene Stück Kalkstein, samt dem metallischen Bruchstück, seinen Weg an das Naturkundemuseum Stuttgart. Dort nahm es der Paläontologe Dr. Michael Rasser in Augenschein. Er informierte daraufhin einen weiteren Kollegen, den Meteoriten- und Impaktforscher Dr. Elmar Buchner, der weitere Untersuchungen an der Universität Stuttgart durchführte. Weitere Untersuchungsergebnisse von Wissenschaftlern aus Houston und Kiel wiesen alle in dieselbe Richtung: Bei dem metallischen Bruchstück, das in einer Spalte des Kalksteinblocks steckte, handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein Bruchstück des Meteoriten, der im Gebiet des heutigen Steinheim am Albuch einschlug und das Steinheimer Becken schuf.

Erste Reste eines Meteoriten in Baden-Württemberg entdeckt

„Interessant in dem Zusammenhang ist vor allem, dass obwohl wir mit dem Steinheimer Becken den am besten erhaltenen Meteoritenkrater Deutschlands besitzen, Baden-Württemberg bislang das einzige Bundesland ohne einen erhaltenen Meteoriten war. Man hatte immer angenommen, dieser wäre beim Einschlag vollständig verdampft. Auch wenn es sich bei dem jetzigen Fund nur um ein wenige Zentimeter großes Metallfragment handelt, können wir sagen, dass es einer der seltensten Meteoritentypen überhaupt ist“, freut sich Dr. Michael Rasser.

Neue Erkenntnisse zu den Meteoriteneinschlägen in Steinheim und Nördlinger Ries

Der neue Fund lässt auch deshalb aufhorchen, da eine Frage, die die Wissenschaftler seit längerem beschäftigte, nun geklärt werden konnte: Sind das Steinheimer Becken und das Nördlinger Ries durch einen einzelnen Meteoriten, der in zwei Teile zerbrochen war, entstanden? Oder war der kleinere Steinheimer Meteorit beispielsweise ein „Mond“ des größeren Nördlinger Meteoriten?, so die Überlegungen der Geowissenschaftler. Nun konnte festgestellt werden, dass der Nördlinger und der Steinheimer Meteorit wohl zwei verschiedene astronomische Objekte waren. Während der Nördlinger Meteorit vermutlich ein so genannter Steinmeteorit war, handelte es sich bei dem Steinheimer Meteoriten um einen deutlich kleineren aber sehr schweren Eisenmeteoriten. Diese Art von Stein-Eisen-Meteorit (Pallasit) ist einer der seltensten Meteoritentypen überhaupt.

Für die Besucher zu sehen

Nächstes Jahr werden die Überreste des Meteoriten im Steinheimer Meteorkratermuseum anlässlich dessen 40 jährigen Bestehens zu sehen sein.

Zur Entdeckungsgeschichte des Meteoriten:

Der Fund stammt aus einem großen Kalksteinblock, der ursprünglich am östlichen Kraterrand gefunden wurde und schon seit etwa 20 Jahren Teil der Ausstellung zum Steinheimer Becken ist. Dem Geologen und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Meteorkrater-Museums Michael Hölzel war aufgefallen, dass sich in einem großen Kalksteinblock ein deutlicher Riss gebildet hatte, woraufhin er aus Sicherheitsgründen einen kleineren Teil des Blocks entfernte. Vom Meteorkrater-Museum aus fand das abgebrochene Stück Kalkstein, samt dem metallischen Bruchstück, seinen Weg in das Naturkundemuseum Stuttgart, wo es Dr. Michael Rasser in Augenschein nahm. Paläontologe Rasser, der die Fossilien des Steinheimer Beckens wissenschaftlich untersucht und unter anderem für die wissenschaftliche Betreuung des Meteorkrater-Museums zuständig ist, informierte einen weiteren Kollegen, den Meteoriten- und Impaktforscher Dr. Elmar Buchner von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm. Buchner, der zudem Privatdozent am Institut für Mineralogie und Kristallchemie der Universität Stuttgart ist, nahm erste Untersuchungen an der Universität Stuttgart vor. Buchner berichtet: „Ich war von diesem metallisch glänzenden Stück wie elektrisiert. Allerdings sah es zunächst gar nicht so aus, als ob es sich um einen Meteoriten handelt, da Teile davon stark verwittert sind“. Aufwändige Präparationsmaßnahmen und umfangreiche Elektronenstrahlanalysen waren erforderlich, bis sich bei Dr. Buchner der Verdacht erhärtete, es könne sich tatsächlich um den Meteoriten von Steinheim handeln. Ein weiterer Wissenschaftler, Dr. Martin Schmieder vom renommierten Lunar and Planetary Science Institute in Houston, stieß beratend zum Forscherteam hinzu.

Letzte Gewissheit ergaben schließlich aufwendige Analysen mittels einer Laser-gestützten Mikrosonde, die von drei weiteren Teammitgliedern (Dr. Steffen Kutterolf, Dr. Jan Fietzke und Dr. Matthias Frische) vom GEOMAR-Forschungszentrum in Kiel durchgeführt wurden. Analysiert wurden dort die diagnostischen Platingruppenelemente, die auf der Erde sehr selten, in Meteoriten aber stark angereichert sind. Eines der Platingruppenelemente, Iridium, war schon zum Nachweis des weltweit wirksamen Meteoriteneinschlags vor rund 65 Millionen Jahren verwendet worden. Dieser gigantische Asteroideneinschlag ließ nicht nur die Dinosaurier aussterben, sondern hinterließ global eine sogenannte Iridium-Anomalie in Gesteinen der Kreide/Tertiär-Grenze. Die Untersuchungsergebnisse aus Stuttgart, Houston und Kiel wiesen alle in dieselbe Richtung: bei dem metallischen Bruchstück, das in einer Spalte des Kalksteinblocks aus dem Meteorkrater-Museum steckte, handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein Bruchstück des Meteoriten, der im Gebiet des heutigen Steinheim am Albuch einschlug und das Steinheimer Becken schuf! Dieses aufsehenerregende Ergebnis wurde von Buchner auf der diesjährigen Tagung der Meteoritical Society präsentiert, die im Juli 2017 in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico stattfand.

Der Meteoriten Fund in Steinheim:

Die Bildung des Steinheimer Beckens fand vor rund 14,8 Millionen Jahren, wahrscheinlich gleichzeitig mit dem etwa 40 km nordöstlich gelegenen und viel größeren Impaktkrater Nördlinger Ries als Doppeleinschlag statt. Spannend ist, dass im Nördlinger Ries mit einem Steinmeteorit ein ganz anderer Meteoritentyp für den Einschlag verantwortlich gemacht wird. „Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es sich um zwei unabhängige Meteoriteneinschläge gehandelt haben muss“, erklärt Buchner. „In unserem Sonnensystem sind relativ kleine Asteroiden unterwegs, die einen oder mehrere winzige Monde mit sich führen. Ein solcher Doppelasteroid aus zwei unterschiedlichen Körpern könnte auch in Süddeutschland eingeschlagen sein“. Ein mögliches Szenario, das Buchner und Schmieder bereits in einer früheren wissenschaftlichen Publikation 2010 ins Spiel brachten. Eine weitere Besonderheit des Funds von Steinheim ist, dass unter den etwa 190 irdischen Impaktkratern bislang nur bei sehr kleinen und jungen Strukturen Meteoritenreste gefunden wurden. Kleine Asteroiden werden nämlich durch die Erdatmosphäre abgebremst und daher beim Einschlag meist nicht völlig zerstört. Weltbekannt ist der etwa einen Kilometer kleine und nur rund 50.000 Jahre junge Meteor Crater in Arizona, um den tonnenweise kleine Eisenmeteorite gefunden wurden. Weltweit wurde bisher nur in einem großen Impaktkrater, dem Morokweng-Krater in Südafrika, der erhaltene Rest des einschlagenden Meteoriten gefunden – und nun eben auch in Steinheim. Ebenfalls kaum zu glauben ist, dass in der Vergangenheit in jedem Flächenstaat der Bundesrepublik ein oder mehrere Meteoriten gefunden wurden, nur in Baden-Württemberg nicht. Mit dem Fund des Meteoriten von Steinheim in Baden-Württemberg ist nun diese Lücke geschlossen.

Meteorkrater-Museum:

Internet: https://www.steinheim.com/freizeit-tourismus/sehenswuerdigkeiten/meteorkrater-museum

Wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema:

Buchner, E., Hölzel, M., Schmieder, M., Rasser, M., Fietzke, J., Frische, M. & Kutterolf, S. 2017. A meteorite fragment trapped between positive and negative shatter cones in a limestone block stored at the Meteorkrater-Museum Steinheim, Germany. Meteoritics and Planetary Science. Special Issue: 80th Annual Meeting of the Meteoritical Society, Santa Fe, New Mexico, USA (23rd–28th July 2017), Volume 52, Issue Supplement S1, p. 6014.