04.05.2022 | Vor 240 Millionen Jahren stand der Saurier und Krokodilvorfahre Batrachotomus an der Spitze der Nahrungskette

Der Speiseplan eines Urzeit-Räubers

PRESSEMITTEILUNG
Modell eines urzeitlichen Krokodils

Ein Team von Wissenschaftler*innen des Naturkundemuseums Stuttgart sowie der Universitäten Hohenheim (Stuttgart) und Fribourg (Schweiz) haben die Ernährungsgewohnheiten des Sauriers Batrachotomus kupferzellensis entschlüsselt. Er war der Spitzenräuber seines Ökosystems und gehörte zu der gefährlichsten Tiergruppe seiner Zeit, den sogenannten Pseudosuchiern. Durch die Analyse von hunderten versteinerten Knochen und Zähnen konnten die Forschenden zeigen, dass sich der Top-Räuber aus Südwestdeutschland von der Aasfresserei, der Jagd und sogar durch Kannibalismus ernährte. Bis sie von den Raub-Dinosauriern abgelöst wurden, standen diese Krokodilvorfahren in der Zeit der Trias an der Spitze der Nahrungskette. Das Team fand außerdem heraus, dass sich das Fressverhalten der heutigen Krokodile seit dessen Entstehung vor etwa 240 Millionen Jahren bis heute erhalten hat. Die Ergebnisse der multidisziplinären Studie wurden nun in der Fachzeitschrift „Palaeontology” veröffentlicht.

Ein gefährlicher Urzeit-Räuber im Schachtelhalmsumpf

Der Saurier Batrachotomus, von dem mehrere fossile Teilskelette aus Fundstellen in Baden-Württemberg bekannt sind, sah aus wie ein Krokodil mit langen und aufgerichteten Gliedmaßen. Er war ein agiler, vierbeinig laufender Räuber und wurde bis zu sechs Meter lang. Seine Zahnkronen glichen Messerklingen mit gezackten Rändern, ähnlich wie die Zähne der später lebenden fleischfressenden Dinosaurier. Diese Zähne waren hervorragend an die räuberische Lebensweise angepasst. Er jagte in einer warmen und feuchten Sumpflandschaft zwischen großen Schachtelhalmen nach seiner Beute. Um herauszufinden, wie genau Batrachotomus lebte und sich ernährte, konzentrierte sich das Team um den Paläontologen am Naturkundemuseum Stuttgart, Dr. Eudald Mujal Grané, mit ihren Analysen nicht nur auf dessen überlieferte Knochen und Zähne. Es untersuchte auch fossile Knochen anderer Tiere, die in denselben Ablagerungen gefunden wurden. Hunderte Fossilien verschiedener Amphibien- und Reptilienarten wurden analysiert.

Überreste von Jägern und Gejagten sind erhalten geblieben

„Wir haben die Art der Biss-Spuren, wie Schnitte, Einstiche, Kratzer, Löcher und sogar fehlende Teile, die abgerissen wurden, auf den verschiedenen Fossilien sorgfältig überprüft. Wir wollten herausfinden, wer wen gejagt und gefressen hat und konnten den „Täter“ überführen: Fast alle Spuren stammen von dem Saurier Batrachotomus kupferzellensis. Das bestätigt uns, dass er der Spitzenjäger des Ökosystems war, der sogar die größten räuberischen Amphibien der Erdgeschichte, den Superlurch Mastodonsaurus, erbeutete“, so Dr. Eudald Mujal Grané, Erstautor der Veröffentlichung.

Nicht zuletzt deswegen ist die Namensbedeutung von Batrachotomus „Amphibienschlitzer“. Die Paläontolog*innen kamen zu einem weiteren verblüffenden Ergebnis: Batrachotomus biss auch seine Artgenossen. Dies deutet darauf hin, dass er kannibalistisch war - einer der wenigen Hinweise für ein solches Verhalten in den Fossilienaufzeichnungen. Möglich war diese umfangreiche Untersuchung zu den Ernährungsgewohnheiten des Krokodilvorfahren durch eine weitere Besonderheit: Sowohl Knochen bzw. Zähne der Räuber, als auch die gebissenen Organismen, sind in derselben Fossillagerstätte erhalten geblieben.

„Die Funde von Batrachotomus sowie der anderen Amphibien- und Reptilienarten stammen zu einem großen Teil aus Kupferzell und anderen Fundstellen in Baden-Württemberg. Viele davon befinden sich im Naturkundemuseum Stuttgart. Dieses weltweit bedeutende und umfangreiche Sammlungsmaterial ermöglichte es uns, die Ernährungsökologie von Batrachotomus im Detail zu untersuchen. Dies hilft uns bei der Rekonstruktion des damaligen Ökosystems. Die Erkenntnisse sind Grundlage für weitere Untersuchungen. Wir wollen verstehen, wie die Welt vor 240 Millionen Jahren, vor der Zeit der großen Dinosaurier ausgesehen hat“, so Prof. Dr. Rainer Schoch, Leiter der Abteilung Paläontologie am Naturkundemuseum Stuttgart und Mitautor.

Erfolgreiche Ökologie einer Tiergruppe

Vergleiche mit ähnlichen Zähnen anderer ausgestorbener Reptilien geben auch Aufschluss über den ökologischen Status der Pseudosuchier. Obwohl Krokodilvorfahren und Dinosaurier ähnliche Zahnformen hatten, war ihre Ernährungsweise dennoch unterschiedlich. Die  Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass die Biss-Spuren fossiler und noch lebender Krokodile denen ihres Vorfahren Batrachotomus verblüffend ähnlich sind. Sie werten dies als einen Beweis für die erfolgreiche Ökologie einer Tiergruppe, die einst an der Spitze der Nahrungskette stand, später im Schatten der Dinosaurier lebte und viele Massenaussterben überlebt hat.

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Für die Redaktionen

Originalpublikation:
Eudald Mujal, Christian Foth, Erin E. Maxwell, Dieter Seegis, Rainer R. Schoch: Feeding habits of the Middle Triassic pseudosuchian Batrachotomus kupferzellensis from Germany and palaeoecological implications for archosaurs.

Palaeontology, DOI: https://doi.org/10.1111/pala.12597

Veröffentlicht am 03.05.2022.

Kontakt für Fachinformationen:
Dr. Eudald Mujal Grané, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Mobil: ++49/(0)176/20287232
Tel. ++49/(0)711/89 36/170
E-Mail: eudald.mujalgrane@smns-bw.de

Prof. Dr. Rainer Schoch, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Tel. ++49/(0)711/89 36/143
E-Mail: rainer.schoch@smns-bw.de

Dr. Eudald Mujal Grané und Prof. Dr. Rainer Schoch stehen Ihnen für weiterführende Informationen und Interviews gerne zur Verfügung.

Pressekontakt:
Meike Rech, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Tel. ++49/(0)711/8936/107
E-Mail: meike.rech@smns-bw.de
 

Bildmaterial:

Batrachotomus_Modell_SMNS_R.Harling.jpg: Das Modell des Scheinkrokodils Batrachotomus kupferzellensis. Der Urzeit-Räuber lebte vor ca. 240 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Südwestdeutschlands. Foto/Urhebervermerk: SMNS, R. Harling

Knochen_Zähne_Mastodonsaurus_Batrachotomus_SMNS_T.Wilhelm.jpg: Der 18 cm lange Unterarmknochen von Mastodonsaurus, dem Superlurch, mit einem Loch, das durch den Biss von Batrachotomus entstanden ist (unten). Oben die spitzen Zähne von Batrachotomus, mit Zahnwurzel (großer Zahn) und ohne Zahnwurzel (kleinerer Zahn). Foto/Urhebervermerk: SMNS, T. Wilhelm

Eudald_Mujal _Sammlung_Knochen_Zahn_SMNS_M.Rech.jpg: Dr. Eudald Mujal Grané in der wissenschaftlichen Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem fossilen Knochen einer großen Urzeit-Amphibie (Mastodonsaurus) mit Biss-Spur und dem Zahn eines Batrachotomus in den Händen. Foto/Urhebervermerk: SMNS, M. Rech

Eudald_Mujal _Diorama_Lettenkeuper_SMNS_M.Rech.jpg: Dr. Eudald Mujal Grané vor einer Rekonstruktion des Lebensraumes von Batrachotomus. Der Saurier Batrachotomus lebte vor 240 Millionen Jahren in Schachtelhalmsümpfen in einem warmen, feuchten Klima. Foto/Urhebervermerk: SMNS, M. Rech

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