Stuttgart, 09.05.23023. Viele Zugvogelarten, die südlich der Sahara überwintern, zeigen seit Ende der 1990er Jahre einen europaweiten Rückgang ihrer Bestände. Eine Art, die davon besonders betroffen ist, ist der Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca).
Ein Wissenschaftlerteam des Naturkundemuseums Stuttgart und der ehrenamtlichen Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft (OAG) Bonn am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (Museum Koenig, Bonn) untersuchte die langfristige Populationsentwicklung und Nistplatzwahl der Trauerschnäpperpopulation im Kottenforst bei Bonn. Die Ergebnisse sind in einem aktuellen Artikel in der Fachzeitschrift „Ardeola“ erschienen und unterstreichen die Bedeutung großer, alter Wälder für den Erhalt der heimischen Biodiversität.
Der Trauerschnäpper ist ursprünglich ein Bewohner alter Wälder. Dort nistet er in Baumhöhlen und ernährt sich ausschließlich von fliegenden Insekten. Die Art war aufgrund von Lebensraumverlusten zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus weiten Teilen Mitteleuropas verschwunden. Sie erholte sich aber flächendeckend, unter anderem durch das Anbringen von Nistkästen in allen Arten von Wäldern, aber auch in Parks und großen Gartenanlagen. Dieser Trend dauerte bis vor ca. 25 Jahren an. Seither gehen die meisten Populationen wieder zurück. Hierfür werden verschiedene Gründe als Rückgangsursache diskutiert, darunter biotische Wechselwirkungen und der Klimawandel.
Entgegen des europaweiten Trends dauert die positive Populationsentwicklung des Trauerschnäppers im Kottenforst weiter an und hat einen Bestand erreicht, der den Kottenforst zu einem regional wichtigen Brutgebiet für die Art macht.
„Es ist daher wünschenswert die Fläche des Wildnisgebietes im Kottenforst noch auszudehnen und dabei insbesondere die Gebiete mit den Kernvorkommen des Trauerschnäppers zu berücksichtigen. Die Mehrheit der Vogelpaare nutzt Baumhöhlen zum Brüten, die in reich strukturierten, offenen Altwäldern reichlich vorhanden sind. Diese Waldstruktur scheint für den Trauerschnäpper optimal zu sein, da sie die Jagd auf Fluginsekten in der Nähe des Nestes ermöglicht“, sagt Dr. Stefan Abrahamczyk, Kurator am Naturkundemuseum Stuttgart.
Die Population im Kottenforst entstand in den 1960er Jahren durch das Anbringen zahlreicher Nistkästen, die durch viele, 150-250 Jahre alte Eichen und Buchen geprägt werden. Zwischen 1960 und 1970 stieg die Population stark an und war vollständig auf Nistkästen zur Brut angewiesen, obwohl auch damals schon viele natürliche Nisthöhlen zur Verfügung gestanden hätten.
Dass sich Trauerschnäpper im Kottenforst und einigen wenigen anderen alten Wäldern von Russland bis Spanien weiter ausbreiten, kann an der Größe und Struktur dieser Wälder liegen. Große, alte Wälder bieten besonders viel Nahrung und Nistmöglichkeiten und sind besser gegen Störungen gepuffert. Dieses Argument wird unterstützt durch die Beobachtung, dass aktuell im Kottenforst nur noch ein Drittel der Trauerschnäpperpopulation in Nistkästen und der Rest in natürlichen Baumhöhlen alter Eichen und Buchen brütet.
Die Gründe für diese Entwicklung sind noch unklar. Zwar ging die absolute Anzahl der Nistkästen seit 1970 zurück, der Anteil der von Trauerschnäppern besetzten Kästen blieb hingegen konstant. Auch stehen jedes Jahr ein kleiner Teil der verfügbaren Kästen leer.
„Diese Ergebnisse widersprechen der bisher gängigen Annahme, dass Trauerschnäpper Nistkästen gegenüber Baumhöhlen bevorzugen und zeigen, wie wichtig große, alte Wälder für viele heimische Arten und den Erhalt der heimischen Biodiversität sind“, so Dr. Stefan Abrahamczyk.
Für die Redaktionen
Originalpublikation:
Stefan Abrahamczyk, Jonatan Grimm, Marvin Fehn, and Darius Stiels, "Long-Term Decoupling of a Local Population Trend of the European Pied Flycatcher Ficedula hypoleuca from Nest Box Abundance Indicates the Importance of Old-Growth Forest", Ardeola 70(2), 185-200, (27 April 2023).
DOI: https://doi.org/10.13157/arla.70.2.2023.ra3
Veröffentlicht: 27. April 2023
Kontakt für Fachinformationen:
Dr. Stefan Abrahamczyk
Kurator für die mitteleuropäische Gefäßpflanzenflora
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Tel. ++49/(0)711/89 36/212
E-Mail: stefan.abrahamczyk(at)smns-bw.de
Dr. Stefan Abrahamczyk steht Ihnen für weiterführende Informationen und Interviews gerne zur Verfügung.
Pressekontakt:
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Bildmaterial:
Bild 1: Bild1_Trauerschnäpper_Urheber_Hans Glader.jpg
Die Vogelart Ficedula hypoleuca.
Urhebervermerk: Hans Glader
Bild 1: Bild2_Trauerschnäpper_Urheber_Hans Glader.jpg
Trauerschnäpper.
Urhebervermerk: Hans Glader
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Das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart ist das größte naturkundliche Museum des Landes Baden-Württemberg. Es ist ein zukunftsorientiertes Forschungs- und Kommunikationsinstitut. Die Wissenschaftler*innen des Naturkundemuseums Stuttgart arbeiten mit einer der größten naturkundlichen Sammlungen Europas, um die biologische Vielfalt der Welt zu erforschen, zu beschreiben, zu verstehen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Forschung ist wesentlich als Grundlage für den Schutz der Biodiversität, die eine der entscheidenden Ressourcen für die Menschheit ist.
Mit seinen Sammlungen von knapp 12 Millionen Objekten (Botanik, Zoologie, Paläontologie) sowie seiner wissenschaftlichen Expertise und seinen Forschungsleistungen zählt es zu den bedeutendsten naturkundlichen Forschungsmuseen Europas. Ein Kennzeichen des Museums ist die enge Verbindung von naturkundlicher Forschung und breit gefächerter Wissensvermittlung durch vielfältige Ausstellungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Es ist eines der besucherstärksten Museen des Landes Baden-Württemberg und strebt die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft an.