14.09.2023 | Studie wirft neues Licht auf eine bisher unterschätzte Pflanzengruppe

Moose reagieren sehr schnell auf steigende Temperaturen

PRESSEMITTEILUNG
Bild1 Hochalpine Gebirgslandschaft (Schweiz) Thomas Kiebacher Beschreibung: Hochalpine Gebirgslandschaft (Schweiz): Die Auswirkungen der Klimaerwärmung zeigen sich vor Allem im Gebirge. Urhebervermerk: Thomas Kiebacher
Hochalpine Gebirgslandschaft (Schweiz): Die Auswirkungen der Klimaerwärmung zeigen sich vor Allem im Gebirge. Urhebervermerk: Thomas Kiebacher

Stuttgart, 01.09.2023. Alle heute lebenden Landpflanzen lassen sich in zwei Gruppen einordnen: Gefäßpflanzen, zu denen alle Farne und Blütenpflanzen gehören, und Moose. Letztere sind nicht zuletzt aufgrund ihrer geringen Größe oft nur mit viel Fachwissen unterscheidbar. Verglichen mit den Gefäßpflanzen sind Moose daher noch wenig erforscht und ihre fundamentale Bedeutung für das globale Klima ist außerhalb von Fachkreisen kaum bekannt. Ein internationales Team unter Leitung von Dr. Thomas Kiebacher, Botaniker am Naturkundemuseum Stuttgart, konnte nun nachweisen, dass Moose um ein Vielfaches schneller auf klimatische Veränderungen reagieren als Gefäßpflanzen. Grundlage der Untersuchung waren Daten, die über einen Zeitraum von 20 Jahren im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Schweiz erfasst wurden. Dabei wurden systematisch Pflanzen in der gesamten Schweiz gesammelt und bestimmt. Die Ergebnisse des Forschungsteams wurden im Fachjournal „Nature Scientific Reports“ veröffentlicht.

Der Klimawandel treibt viele Pflanzen den Berg hinauf
Sowohl Moose als auch Gefäßpflanzen haben spezifische Standortansprüche. Gerade in Bergregionen machen sich die Auswirkungen des Klimawandels dadurch bemerkbar, dass wärmeliebende Arten in immer höhere Zonen vordringen. Moose können sich dabei besonders schnell in höher gelegene Regionen ausbreiten. Dies wird damit begründet, dass sie sich mithilfe von Sporen fortpflanzen, die sehr weit mit dem Wind transportiert werden können. Zudem sind viele Moose in der Lage, auf nacktem Felsgestein zu gedeihen und neue Lebensräume früh zu besiedeln. Moose nehmen bei der Erschließung neuer Lebensräume häufig eine Vorreiterrolle ein, da Blütenpflanzen oft auf Insekten angewiesen sind und sich nicht so schnell ausbreiten können.

Anhand der neu gewonnenen Ergebnisse wird zunehmend klarer, dass sich der Klimawandel regional auf bestimmte Pflanzengruppen sehr unterschiedlich auswirken kann. Besonders die Rolle der Moose in der Wissenschaft könnte sich in den kommenden Jahren stark verändern. So können sie aufgrund ihrer hohen Reaktionsgeschwindigkeit Veränderungen in der Umwelt schneller vorhersagen, wenngleich die Moose selbst durch Klimaveränderungen dadurch auch stärker bedroht sein können.

Verlässliche Modelle benötigen eine solide Datengrundlage
Das Biodiversitätsmonitoring Schweiz gehört zu den Programmen zur Erfassung der regionalen Artenvielfalt. Hierbei wurden fast 1500 Lokalitäten in einem Intervall von fünf Jahren auf das Vorhandensein verschiedenster Organismengruppen hin untersucht. Diese Daten dienten anschließend als Grundlage für Computermodelle, anhand derer Dr. Thomas Kiebacher und sein Team großflächige Veränderung der Pflanzengemeinschaften abbilden und auswerten konnten.

Für die Redaktionen

Originalpublikation:
Kiebacher, L., Meier, M., Kipfer, T. und Roth, T. (2023). Thermophilisation of communities differs between land plant lineages, land use types and elevation. Scientific Reports 13, 11395 (2023).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-023-38195-6
Veröffentlicht: 14.07.2023

Das Biodiversitätsmonitoring Schweiz
Das Biodiversitätsmonitoring Schweiz (BDM) ist ein Programm des Schweizer Bundesamts für Umwelt mit dem Ziel, die Artenvielfalt ausgewählter Pflanzen- und Tiergruppen zu erheben und somit deren langfristige Entwicklung aufzuzeigen. Das BDM liefert damit einen wichtigen Beitrag für die Naturschutzpolitik und andere Politikbereiche. Im Rahmen des Programms beproben Biologen gemeinsam mit ausgebildeten Bürgerwissenschaftlern alle Regionen der Schweiz anhand eines systematischen Stichprobenrasters.
www.biodiversitymonitoring.ch

Ein ähnliches Projekt, die floristische Kartierung Baden-Württembergs, wird vom Naturkundemuseum Stuttgart koordiniert.
https://www.flora.naturkundemuseum-bw.de/start2.htm

Das Naturkundemuseum Stuttgart
Das Naturkundemuseum Stuttgart ist ein zukunftsorientiertes Forschungs- und
Kommunikationsinstitut. Seine Forschungssammlungen, die Archive der Vielfalt, beinhalten
über 12 Millionen Objekte. Das Museum erforscht die Evolution des Lebens und analysiert
die Artenvielfalt verschiedener Ökosysteme und vermittelt Forschungserkenntnisse an die
breite Öffentlichkeit. Es engagiert sich außerdem stark in der Ausbildung des
wissenschaftlichen Nachwuchses. www.naturkundemuseum-bw.de

Kontakt für Fachinformationen:
Dr. Thomas Kiebacher
Naturkundemuseum Stuttgart
Abteilung Botanik
Tel. 0711 – 89 36 – 209
E-Mail: thomas.kiebacher(at)smns-bw.de

Pressekontakt:
Meike Rech
Naturkundemuseum Stuttgart
Pressesprecherin
Tel. 0711 – 89 36 – 107
E-Mail: meike.rech(at)smns-bw.de

Bildmaterial:
Bild 1: Bild1_Hochalpine Gebirgslandschaft (Schweiz)_Thomas_Kiebacher
Beschreibung: Hochalpine Gebirgslandschaft (Schweiz): Die Auswirkungen der Klimaerwärmung zeigen sich vor Allem im Gebirge.
Urhebervermerk: Thomas Kiebacher


Bild 2: Bild2_Polytrichum_Sphagnum_Thomas_Kiebacher
Beschreibung: Torf- und Frauenhaarmoos (Sphagnum und Polytrichum) sind prägende Arten unserer Moore)
Urhebervermerk: Thomas Kiebacher


Bild 3: Bild3_Tamarisken-Thujamoos_Thomas_Kiebacher
Beschreibung: Das Tamarisken-Thujamoos (Thuidium tamariscinum) ist ein häufiger besiedler der Waldböden
Urhebervermerk: Thomas Kiebacher

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