Stuttgart, 17.12.2024. Ein internationales Forscherteam, darunter Dr. Eudald Mujal, Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart, hat ein fossiles Tier beschrieben, das vor etwa 280 bis 270 Millionen Jahren auf dem heutigen Mallorca lebte und zu einer Gruppe von Säbelzahntieren gehörte. Der Fund ist nicht nur wegen der Menge der gefundenen Überreste bemerkenswert, sondern auch, weil es sich um die Fossilien des ältesten bekannten Gorgonopsier der Erde handelt. Die Gorgonopsier gehören zu der Entwicklungslinie, aus der später die ersten Säugetiere hervorgingen.
Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Top-Räuber aus dem Zeitalter des Perms
Die ausgestorbenen Gorgonopsier waren Warmblüter wie die heutigen Säugetiere, aber im Gegensatz zu ihnen legten sie Eier. Diese Fleischfresser waren auch die ersten Tiere, die Säbelzähne entwickelten. Ihr Aussehen ähnelte dem eines Hundes, allerdings ohne Ohren und Fell, und sie waren oft die Spitzenräuber im Ökosystem. Sie gehören zu den Therapsiden, den Vorfahren der Säugetiere, lebten im Perm und wurden bisher vor allem in Gesteinen gefunden, die zwischen 270 und 250 Millionen Jahre alt sind.
„Wir haben auf Mallorca noch nie ein Raubtier aus dieser Zeit gefunden. Wahrscheinlich handelt es sich um den bisher ältesten Gorgonopsier der Welt. Die 280 bis 270 Millionen Jahre alten Fossilien liefern uns wichtige Informationen zum Verständnis des damaligen Ökosystems. Wir haben es hier mit einem Tier mittlerer Größe von etwa einem Meter Länge zu tun. Dieses Säbelzahntier erinnert an einen Hund und war ein gefährlicher Räuber, der wahrscheinlich an der Spitze der Nahrungskette stand“, so Dr. Eudald Mujal.
Unerwartete Entdeckung auf den Balearen
Der Fund auf den Balearen ist ungewöhnlich. Die bisher bekannten Überreste von Gorgonopsiern stammen aus höheren Breitengraden, zum Beispiel aus Russland oder Südafrika. Die Balearen lagen vor 280 bis 270 Millionen Jahren auf dem Urkontinent Pangaea sehr nah am Äquator. Auch das Alter der Fossilien überraschte die Forscher, da Funde dieser Gruppe an anderen Orten deutlich jünger sind. Bei den Ausgrabungen wurden zahlreiche Knochenreste gefunden, die von einer Fundstelle in der Gemeinde Banyalbufar auf Mallorca stammen. Darunter befinden sich Schädelfragmente, Wirbel, Rippen und ein sehr gut erhaltener Oberschenkelknochen.
Die Fossilien verraten den Forschern viel über Fortbewegung und Ernährung
Bei den Ausgrabungen kam ein fast vollständiges Bein zum Vorschein, das es den Forschern ermöglichte, die Fortbewegungsweise des Tieres zu untersuchen. Im Gegensatz zu den Reptilien, die sich ursprünglich mit gespreizten Beinen fortbewegten, waren die Beine der Gorgonopsia eher vertikal ausgerichtet, so dass sie sich auf eine Weise fortbewegten, die zwischen Reptilien und Säugetieren anzusiedeln ist. Dieses System ist beim Gehen und vor allem beim Laufen effizienter. Der gefundene Säbelzahn bestätigten den Forschern, dass es sich um ein fleischfressendes Tier handelte, ein Merkmal, das allen Gorgonopsiern weltweit gemeinsam ist.
Als Mallorca noch keine Insel war
Im Perm war Mallorca keine Insel, sondern Teil des Superkontinents Pangaea. Sie lag auf einem äquatorialen Breitengrad, auf dem heute Länder wie der Kongo oder Guinea liegen. Das Klima war monsunartig, Feucht- und Trockenzeiten wechselten sich ab. Der Fundort der Fossilien wurde als Überschwemmungsgebiet mit zeitweiligen Tümpeln identifiziert, an denen Gorgonopsia und andere Tiere tranken. Trotz ihrer geringen Fläche sind die Balearen außergewöhnlich reich an Fossilien. „Unser Fund auf Mallorca zeigt, dass wir in Westeuropa und Nordafrika mit weiteren Funden aus dem Perm rechnen können, die unser Verständnis des damaligen Ökosystems erweitern werden“, so der Paläontologe Dr. Eudald Mujal.
Für die Redaktionen
Originalpublikation:
Matamales-Andreu, R., Kammerer, C. F., Angielczyk, K. D., Simões, T. R., Mujal, E., Galobart, À., & Fortuny, J. (2024). Early-middle Permian Mediterranean gorgonopsian suggests an equatorial origin of therapsids. Nature Communications.
Publikationsdatum: 17.12.2024
DOI: doi.org/10.1038/s41467-024-54425-5
Kontakt für Fachinformationen:
Dr. Eudald Mujal
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Tel. +49/(0)711/89 36/166
E-mail: eudald.mujalgrane@smns-bw.de
Dr. Eudald Mujal steht Ihnen für weiterführende Informationen und Interviews gerne zur Verfügung.
Pressekontakt:
Meike Rech
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Tel. ++49/(0)711/8936/107
E-Mail: meike.rech@smns-bw.de
Bildmaterial:
Bild 1: 1_Gorgonopsian_Mallorca_Copyright_ Henry Sutherland Sharpe
Bildbeschreibung: Rekonstruktion des Aussehens eines Gorgonopsiers, wie er in einer Überschwemmungsebene des Perms auf Mallorca lebte.
Copyright: Henry Sutherland Sharpe
Bild 2: 2_Permian_gorgonopsian_skeleton_Mallorca_SMNS, E. Mujal
Silhouette des beschriebenen Tieres mit den verschiedenen anatomischen Elementen, die bei der Ausgrabung geborgen wurden.
Copyright: SMNS, Eudald Mujal
Bitte beachten Sie, dass die Verwendung des Bildmaterials nur unter Angabe des Copyrights gestattet ist. Vielen Dank.
Informationen zum Projekt:
Das Forschungsteam stand unter der Leitung des Institut Català de Paleontologia Miquel Crusafont (ICP) und des Museu Balear de Ciències Naturals (MUCBO | MBCN). Die Studie wurde durch das Projekt „Mallorca abans dels dinosaures: estudi dels ecosistemes continentals del Permià i Triàsic amb especial èmfasi en les restes de vertebrats“ ICP unterstützt und vom Departament de Cultura i Patrimoni (Consell Insular de Mallorca) und dem CERCA-Programm der Generalitat de Catalunya finanziert.
Das Naturkundemuseum Stuttgart:
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Die Forschungssammlung des Naturkundemuseums Stuttgart beherbergt als Archiv der Vielfalt über 12 Millionen Objekte. Zu den Forschungsschwerpunkten gehören die Evolution des Lebens und die Analyse der Artenvielfalt verschiedener Ökosysteme. In zwei Dauerausstellungen, wechselnden Sonderausstellungen, Veranstaltungen und Führungen werden im Naturkundemuseum sowohl naturkundliches Grundwissen als auch aktuelle Forschungserkenntnisse an die breite Öffentlichkeit vermittelt, um das Verständnis für die Natur und ihre komplexen Zusammenhänge nachhaltig zu fördern.
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