09.01.2025 | 238 bis 234 Millionen Jahre alte Fossilien liefern neue Erkenntnisse über die erstaunliche Anpassungsfähigkeit und Evolution der Urlurche in der späten Trias.

Unerwartete Vielfalt von Urlurchen trotz lebensfeindlicher Umweltbedingungen

PRESSEMITTEILUNG
Raphael Moreno in der paläontologischen Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Unterkieferrest eines Metoposaurus
Raphael Moreno in der paläontologischen Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Unterkieferrest eines Metoposaurus Bild: SMNS, L. Reinöhl

Stuttgart, 09.01.2025. Vor rund 238 Millionen Jahren herrschten in Deutschland sehr lebensfeindliche Bedingungen. Eine extrem trockene Landschaft und salzhaltige Gewässer machten vor allem Amphibien das Überleben schwer. Bisher waren aus dieser Zeit vor allem Fossilien von Muscheln und vereinzelte Fischreste bekannt. Ein Forschungsteam des Stuttgarter Naturkundemuseums konnte nun durch die Untersuchung bisher unbearbeiteter Fossilien aus den Sammlungen des Hauses eine unerwartete Vielfalt von Urlurchen, so genannten Temnospondylen, aus der Obertrias nachweisen. Die Entdeckung liefert wichtige neue Erkenntnisse zur Evolution, Ökologie und Verbreitung dieser Tiere, die zum Teil früher und länger lebten als bisher angenommen. Die Forschungsergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Fossil Record veröffentlicht.

Ältester Nachweis für Metoposaurier entdeckt
Die Temnospondylen waren eine Gruppe ursprünglicher Landwirbeltiere und mögliche Vorfahren der heutigen Amphibien. Sie lebten vom Karbon vor etwa 340 Millionen Jahren bis zum Beginn der Kreidezeit vor etwa 110 Millionen Jahren. Die untersuchten Urlurch-Fossilien stammen aus der 238 bis 234 Millionen Jahre alten Grabfeld-Formation und wurden in der Nähe von Heilbronn und Nürnberg gefunden. Bei ihrer Untersuchung konnten die Forschenden Überreste von Gerrothorax, Plagiosternum und Metoposaurus nachweisen.  Der Fund eines Metoposauriers aus der Obertrias gilt als der bisher weltweit älteste Nachweis.

"Wir konnten zeigen, dass es Metoposaurier schon deutlich früher gab als bisher angenommen und können nun eine Verbindung zwischen dem vermeintlichen Vorfahren Callistomordax und jüngeren Fossilienfunden herstellen. Außerdem vermuten wir, dass sich die Metoposaurier in Mitteleuropa entwickelt und sich dann weltweit ausgebreitet haben“, so Raphael Moreno, Erstautor der Studie und Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart.

Neue Erkenntnisse zur Evolution der Urlurche
Zwei weitere Funde aus der Grabfeld-Formation konnten den beiden Plagiosaurier-Arten Gerrothorax und Plagiosternum zugeordnet werden. Auch diese Fossilien verändern die bisher angenommene zeitliche Einordnung der beiden Arten. Der Gerrothorax-Fund schließt eine Wissenslücke zwischen den bisherigen Funden aus dem Lettenkeuper und den 10 Millionen Jahre jüngeren Fossilien aus dem Schilfsandstein. Der Urlurch Plagiosternum überlebte mehrere Millionen Jahre länger als bisher angenommen.

Temnospondylen: Anpassungskünstler der Urzeit
Fossilien von Temnospondylen finden sich fast überall auf der Welt. In Baden-Württemberg wurden besonders viele Exemplare gefunden. Die Urlurche haben in ihrer mehr als 200 Millionen Jahre langen Existenz eine unglaubliche Vielfalt an Lebensformen und Anpassungen entwickelt. So gibt es eine Größenspanne von wenigen Zentimetern bis hin zum 5 Meter langen Mastodonsaurus. Die Tiere besiedelten die unterschiedlichsten Lebensräume an Land und im Wasser. Die aktuelle Studie liefert nun einen Hinweis darauf, dass Temnospondylen auch in Gewässern mit erhöhtem Salzgehalt lebten.

Das Klima beeinflusste die globale Ausbreitung
In einer anderen Forschungsarbeit wurde mit Hilfe von Computersimulationen untersucht, auf welchen Wegen sich die Temnospondylen wahrscheinlich weltweit ausgebreitet haben. Dazu wurden mehrere heutige Fossilfundstellen miteinander "vernetzt". Die Kombination der realen Fundstellen mit Modellen der damaligen Klima- und Umweltbedingungen zeigt, dass geografische Barrieren einen weitaus geringeren Einfluss auf die Ausbreitung der Urlurche hatten als das Klima.

„Die verschiedenen Gruppen der amphibisch lebenden Temnospondylen folgten den besten klimatischen Bedingungen entlang der Fließgewässer. Trotz ihrer großen Anpassungsfähigkeit bevorzugten die Urlurche meist Gebiete mit hohen Temperaturen, viel Niederschlag und wenig ausgeprägten Jahreszeiten“, so Raphael Moreno.

Für die Redaktionen

Originalpublikationen:
Moreno, R., Chakravorti, S., Cooper, S. L. A., Schoch, R. R. Unexpected temnospondyl diversity in the early Carnian Grabfeld Formation (Germany) and the palaeogeography of metoposaurids. Fossil Record.
Publikationsdatum: 30.12.2024
DOI: doi.org/10.3897/fr.27.121996

Moreno, R., Dunne, E.M., Mujal, E., Farnsworth, A., Valdes, P.J. and Schoch, R.R. (2024), Impact of environmental barriers on temnospondyl biogeography and dispersal during the Middle–Late Triassic. Palaeontology, 67: e12724.
Publikationsdatum: 04.09.2024
DOI: doi.org/10.1111/pala.12724

Bildmaterial:
Bild 1: Bild 1_Raphael Moreno_SMNS_Reinöhl.jpg
Bildbeschreibung: Raphael Moreno in der paläontologischen Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Unterkieferrest eines Metoposaurus.
Urhebervermerk/Copyright: SMNS, L. Reinöhl

Bild 2: Bild 2_ Plagiosternum _SMNS_Reinöhl.jpg
Bildbeschreibung: Fossil eines Schädels von Plagiosternum in der Ausstellung des Naturkundemuseums Stuttgart - Museum am Löwentor. Der Urlurch Plagiosternum überlebte mehrere Millionen Jahre länger, als bisher angenommen.
Urhebervermerk/Copyright: SMNS, L.Reinöhl

Bild 3: Bild 3_ Gerrothorax_SMNS_Reinöhl.jpg
Bildbeschreibung: Nachbildung eines Gerrothorax im Keupersumpf-Diorama im Naturkundemuseum Stuttgart - Museum am Löwentor.
Urhebervermerk/Copyright: SMNS, L.Reinöhl

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Kontakt für Fachinformationen:
Raphael Moreno, Abteilung Paläontologie
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Tel.: +49/(0)711/89 36/170
E-Mail: raphael.moreno@smns-bw.de

Raphael Moreno steht Ihnen für weiterführende Informationen und Interviews gerne zur Verfügung.

Pressekontakt:
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Tel.: +49/(0)711/8936/106
E-Mail: liliana.reinoehl@smns-bw.de

Meike Rech, Abteilung Kommunikation
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Germany
Tel.: +49/(0)711/8936/107
E-Mail: meike.rech@smns-bw.de

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