03.11.2023 | Neue Erkenntnisse zu der Ernährungsweise eines urzeitlichen Top-Räubers.

Wen oder was fraßen die großen Fischsaurier im Jurameer?

PRESSEMITTEILUNG
Temnodontosaurus Sammlung SMNS, Bild: SMNS, M.Rech
Temnodontosaurus Sammlung SMNS, Bild: SMNS, M.Rech

Stuttgart, 03.11.2023. Meeresreptilien zählten im Zeitalter der Saurier zu den wichtigsten Lebewesen mariner Ökosysteme. Einige von ihnen waren als Räuber ganz oben in der Nahrungskette angesiedelt, wie der Fischsaurier Temnodontosaurus. Ein internationales Forscher*innen-Team, unter ihnen die Meeresreptilien-Spezialistin Dr. Erin Maxwell des Naturkundemuseums Stuttgart, hat in einer Studie die fossil erhaltenen Zähne von Temnodontosaurus genauer untersucht. Der Meeressaurier konnte bis zu zehn Meter lang werden und lebte während der frühen Jurazeit vor etwa 180 Millionen Jahren auch in Deutschland. Das Wissenschaftler*innen Team konnte bei den verschiedenen Arten dieser Gattung unterschiedliche Zahnformen nachweisen, die für eine deutlich stärkere Spezialisierung bei der Ernährung sprechen, als es bisher für so große Räuber dieser Gruppe angenommen wurde. Die Ergebnisse zeigen, wie sich die Ernährung und die Jagdstrategien der Raubtiere im Urzeitmeer im Laufe der Zeit verändert haben. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Journal of Anatomy“ veröffentlicht.

Moderne Technologien helfen bei der Erforschung der Ökologie der Tiere
Eine direkte Beobachtung der Lebensweise ausgestorbener Tiere ist nicht möglich und viele Gruppen, darunter auch die Fischsaurier, besitzen keine heute lebenden Verwandten. Daher werden in der Paläontologie Fossilien, wie beispielsweise Zähne und Gebisse, um so indirekte Aussagen über die Lebensweise der verschiedenen Urzeittiere treffen zu können. Bei Analyse von Zähnen und Schädeln der Fischsaurier half den Forscher*innen der Einsatz von Spitzentechnologien wie 3D-Scans und Bildgebungsverfahren mit dem Rasterelektronenmikroskop. Die Zähne von Top-Räubern wie Temnodontosaurus müssen unterschiedliche Aufgaben erfüllen, darunter das Festhalten der Beute und das Zerschneiden von Fleisch. Je nach Art der Beute benötigen sie dafür spezialisierte Zähne. Die verschiedenen Zahnformen von Temnodontosaurus zeigen, dass auch Tiere weit oben in der Nahrungskette mitunter eine ganz bestimmte Beute oder Jagdmethode bevorzugen.

Zähne liefern wichtige Hinweise zur Lebensweise und Ernährung
„Fossile Zähne spielen bei der Rekonstruktion der Ernährungsweise und Ökologie ausgestorbener Tiere eine große Rolle. Die unterschiedlichen Zahnformen und Schädelanpassungen bei den einzelnen Temnodontosaurus-Arten lassen darauf schließen, dass die Beute auf unterschiedliche Weise gefangen und gefressen wurde. Die Bandbreite der Anpassungen ist ein wichtiger Hinweis darauf, wie diese einzelnen Arten durch die Aufteilung ökologischer Nischen koexistierten. Damit konnten die Tiere Konkurrenz untereinander und mit anderen Ichthyosauriern der damaligen Zeit vermeiden“, so Dr. Erin Maxwell. Die Untersuchungen ermöglichen den Forschenden zu verstehen, wie sich die Rolle der großen Raubtiere in marinen Ökosystemen im Laufe der Zeit verändert hat. Temnodontosaurus fraß andere Fischsaurier, Tintenfische und Fische.

Ichthyosaurier, die Bewohner des Jurameers
Die Gruppe der Fischsaurier, auch Ichthyosaurier genannt, entstand in der Triaszeit vor etwa 250 Millionen Jahren im Anschluss an das größte Massenaussterbeereignis der Erdgeschichte. Innerhalb von nur wenigen Millionen Jahren erreichten sie Körpergrößen, die mit denen heutiger Wale vergleichbar sind. Nach der Triaszeit nahm die Artenvielfalt der Fischsaurier ab und sie erreichten nur noch selten Längen von über fünf Metern. Eine Ausnahme bildet Temnodontosaurus, der im Jura zu den Top-Räubern europäischer Meere zählte. Derzeit gibt es etwa sieben beschriebene Arten von Temnodontosaurus, die sich in bestimmten Merkmalen, auch in den Zahnformen, unterscheiden. Die paläontologische Sammlung des Naturkundemuseum Stuttgart beherbergt gleich mehrere, teilweise vollständige Skelette von Temnodontosaurus, welche im Rahmen der neuen Studie untersucht wurden.

Für die Redaktionen

Originalpublikation:
Bennion, R. F., Maxwell, E. E., Lambert, O. und Fischer, V. (2023). Craniodental ecomorphology oft he large Jurassic ichthyosaurian Temnodontosaurus. Journal of Anatomy 00, 1–20.
DOI: https://doi.org/10.1111/joa.13939
Veröffentlicht: 17.08.2023

Bildmaterial:
Bild 1: Bild1_Schädel und Zähne von Temnodontosaurus, SMNS R. Bennion.jpg
Beschreibung: Schädel und Zähne von Temnodontosaurus. Der Meeressaurier zeigt eine Reihe verschiedener Anpassungen des Schädels und der Zähne an den Beutefang, darunter unterschiedliche Zahnformen im Kiefer und gezackte Schneidekanten, die im Rasterelektronenmikroskop sichtbar sind.
Urhebervermerk: R. Bennion, SMNS

Bild 2: Bild2_Temnodontosaurus_Sammlung SMNS, SMNS, M.Rech.jpg
Beschreibung: Das Fossil eines Temnodontosauriers in den Sammlungen des Naturkundemuseums Stuttgart. Das Fossil stammt aus dem Posidonienschiefer und ist ca. 182 Millionen Jahre alt.
Urhebervermerk: M. Rech, SMNS

Bitte beachten Sie, dass eine Verwendung des Bildmaterials nur mit Nennung des Urhebervermerks gestattet ist. Vielen Dank.

Kontakt für Fachinformationen:
Dr. Erin Maxwell
Naturkundemuseum Stuttgart
Abteilung Paläontologie
Tel. 0711 – 89 36 – 145
E-Mail: erin.maxwell@smns-bw.de

Pressekontakt:
Meike Rech
Naturkundemuseum Stuttgart
Pressesprecherin
Tel. 0711 – 89 36 – 107
E-Mail: meike.rech@smns-bw.de

Das Naturkundemuseum Stuttgart:
Das Naturkundemuseum Stuttgart ist ein zukunftsorientiertes Forschungs- und Kommunikationsinstitut. Seine Forschungssammlungen, die Archive der Vielfalt, beinhalten über 12 Millionen Objekte. Das Museum erforscht die Evolution des Lebens und analysiert die Artenvielfalt verschiedener Ökosysteme und vermittelt Forschungserkenntnisse an die breite Öffentlichkeit. Es engagiert sich außerdem stark in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.