Seit den 1800er Jahren wissen wir, dass Ichthyosaurier lebende Junge zur Welt brachten. Am SMNS in Stuttgart haben wir mehrere schöne Exemplare von schwangeren Ichthyosauriern, die alle zur Gattung Stenopterygius gehören. Eines unserer Exemplare, das in der paläontologischen Dauerausstellung zu sehen ist, zeigt sogar einen Fötus, der aus dem Geburtskanal kommt! Aufgrund dieses und anderer in der Gebärmutter erhaltener Exemplare wurde lange Zeit angenommen, dass alle Ichthyosaurier mit dem Schwanz voran geboren haben. Die Erklärung dafür war in der Regel, dass der Fötus bei einer Geburt mit dem Kopf voran ein hohes Risiko gehabt hätte, während der Geburt zu ertrinken. Im Jahr 2014 wurde bei einem Exemplar des frühen Ichthyosauriers Chaohusaurus aus China ebenfalls eine Schwangerschaft festgestellt. Allerdings befanden sich die Föten in eindeutiger Kopflage. Dies veranlasste die Autoren zu der Hypothese, dass dies der ursprüngliche Geburtszustand war und dass die Ichthyosaurier-Vorfahren an Land daher bereits lebendgebärend waren. Kürzlich, im Jahr 2020, wurde ein schwangeres Exemplar eines Ichthyosauriers namens Cymbospondylus veröffentlicht, der eher an eine Umgebung im offenen Meer angepasst war. Es zeigte auch einen Fötus im Uterus in einer Position, die auf eine Geburt mit dem Kopf nach vorne hindeutet.
All dies veranlasste uns (Feiko Miedema und Erin Maxwell vom Naturkundemuseum Stuttgart sowie weitere Kolleg*innen von anderen Institutionen), die Geburtspräferenz des frühen Ichthyosauriers Mixosaurus zu untersuchen. Wir untersuchten drei trächtige Weibchen dieser Gattung, die alle aus den berühmten fossilen Lagerstätten der Mittleren Trias vom Monte san Giorgio im Tessin, Schweiz, stammen. Mixosaurus zeigt ein Exemplar mit Kopfgeburt und zwei mit Schwanzgeburt.
Wir haben uns dann die Geburtsposition bei Stenopterygius genauer angesehen. Es stellte sich heraus, dass, obwohl die Geburt mit dem Schwanz zuerst bevorzugt wird, Geburten mit dem Kopf zuerst regelmäßig vorkommen. Darüber hinaus untersuchten wir die Geburtsposition bei modernen und ausgestorbenen Tieren, die lebend gebären, und stellten fest, dass Kopf- und Schwanzgeburten unabhängig von dem Medium, in dem der Fötus geboren wird, also an Land oder unter Wasser, vorkommen. Das bedeutet, dass die Gefahr des Ertrinkens für den Fötus bei einer Geburt mit dem Kopf voran im Wasser unwahrscheinlich ist, wie bisher angenommen. Stattdessen vermuten wir, dass schwanzlastige Geburten bei stromlinienförmigen Formen wie Ichthyosauriern oder Delfinen vorkommen, weil es für die Mutter einfacher ist, den Fötus herauszudrücken als bei einer kopflastigen Geburt. Alternativ könnte diese Position in utero der Mutter helfen, ihr Gewicht beim Schwimmen besser zu verteilen (Trimmkontrolle).
Abschließend kommen wir zu dem Schluss, dass sich die Geburt mit dem Schwanz zuerst bei Ichthyosauriern erst später in ihrer Evolutionsgeschichte entwickelt hat und dass triassische Formen entweder keine Präferenz oder möglicherweise eine Präferenz für die Geburt mit dem Kopf zuerst hatten.