Ichthyosaurier, mesozoische Meeresreptilien mit delfinähnlichem Körper und vertikaler Schwanzflosse, besetzten in den Meeren des Frühen Jura (vor etwa 183 Millionen Jahren) eine Vielzahl ökologischer Nischen. Viele kleinere Arten, wie die weit verbreitete Art Stenopterygius quadriscissus (ausgewachsen etwa 2,0 bis 3,5 m lang), ernährten sich nachweislich von Fischen und Tintenfischen. Die größte Art der damaligen Zeit, Temnodontosaurus trigonodon, wurde bis zu 9 m lang und war dafür bekannt, dass sie auch andere Meeresreptilien, wie kleinere Ichthyosaurier, fraß.
In einer aktuellen Studie hat ein internationales Team um Dr. Erin Maxwell und Dr. Günter Schweigert die Ernährung von Temnodontosaurus anhand von Fossilien aus der Posidonienschiefer-Formation in Baden-Württemberg neu untersucht. So fanden sie bei einem Exemplar in der Dauerausstellung des Museums am Löwentor Reste von Armhäkchen von Kopffüßern sowie mindestens vier neugeborene Stenopterygius-Individuen im Magenbereich, die als Beute interpretiert werden. Ein zweites, ebenfalls ausgestelltes Fossil, stellt ein juveniles Stenopterygius-Individuum von etwa 1,6 m Länge dar, das offenbar ganz verschluckt und anschließend wieder erbrochen wurde (ein fossiler „Speiballen“, auch Bromalit genannt). Eine Untersuchung der Vielfalt von Meeresreptilien aus dem Frühen Jura Deutschlands zeigt, dass nur Temnodontosaurus über genügend breite Kiefer verfügte, um solch große Beute ganz zu verschlingen. Schließlich repräsentiert ein drittes Exemplar aus Dotternhausen die vordere Körperhälfte eines Stenopterygius-Individuums, ursprünglich etwa 2,3 m lang, das ebenfalls von einem Räuber wieder hochgewürgt wurde. Das Fehlen von Knochen der hinteren Körperhälfte deutet darauf hin, dass Temnodontosaurus die Beute wahrscheinlich vor dem Verzehr zerteilte.
Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse, dass Temnodontosaurus trigonodon regelmäßig kleinere Meeresreptilien als Beute fraß, aber auch opportunistisch andere Beutetiere, wie große Wirbellose, erbeutete. Größere Beute wurde vor dem Fressen zerteilt. Große ausgewachsene Stenopterygius-Individuen waren wahrscheinlich relativ sicher vor Temnodontosaurus, während kleinere adulte Tiere dennoch Opfer dieses Räubers werden konnten. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die im Posidonienschiefer beobachtete Zunahme der Körpergröße ausgewachsener Stenopterygius als Anpassung an die zunehmende Häufigkeit von Temnodontosaurus im Lebensraum gesehen werden könnte.
Der Artikel wurde in der Fachzeitschrift „Papers in Palaeontology“ publiziert.
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