27.05.2024

Wenn Sterne sich teilen – Ältester fossiler Schlangenstern mit asexueller Fortpflanzung

Science News
Fossil eines Schlangensterns mit sechs Armen. Die drei Arme der rechten Körperhälfte sind dünner und kürzer als an der linken Körperhälfte.
Fossil des Schlangensterns Ophiactis hex. (Bild: Günter Schweigert, SMNS)

Schlangensterne verfügen über hervorragende regenerative Fähigkeiten, mit denen sie sich gut von Verletzungen erholen und sogar verlorene Arme nachwachsen lassen können. Einige Arten dieser Stachelhäuter gehen sogar einen Schritt weiter und können sich ungeschlechtlich fortpflanzen, indem sie sich in der Körpermitte teilen und die jeweils fehlenden Hälften neu bilden. Dabei entsteht ein Klon des ursprünglichen Tieres. Diesen Vorgang nennt man Fissiparie und er ermöglicht es den Schlangensternen neue Lebensräume schneller zu erschließen.

Unter den heute mehr als 2000 Schlangenstern-Arten ist die asexuelle Fortpflanzung durch Teilung lediglich bei insgesamt rund 30 Spezies bekannt, die z.T. nicht näher miteinander verwandt sind. Dennoch weisen viele dieser Arten erstaunliche Ähnlichkeiten in ihrer Anatomie und im Verhalten auf. So haben sie meist nur kleine Körper und besitzen oft sechs anstatt der für See- und Schlangensterne typischen fünf Arme. Beide Anpassungen stehen vermutlich im engen Zusammenhang mit der Fissiparie: die sechsstrahlige Symmetrie ermöglicht eine Trennung in zwei gleiche Hälften und die geringe Größe erleichtert eine schnelle Regeneration der fehlenden Körperteile nach der Teilung. Während der biologische Prozess und die ökologische Bedeutung hinter dieser Art der Fortpflanzung gut verstanden sind, ist jedoch nur wenig über die evolutionäre Entstehung dieser Fähigkeit bekannt.

Ein internationales Team rund um die Paläontologen Dr. Ben Thuy vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxembourg und Dr. Günter Schweigert vom Naturkundemuseum Stuttgart hat nun kürzlich das Fossil eines urzeitlichen Schlangensterns aus dem Nusplinger Plattenkalk beschrieben, bei dem es sich nicht nur um eine bisher unbekannte Art handelt, sondern welcher zusätzlich aufschlussreiche Hinweise zur Evolution der Fissiparie bei Schlangensternen liefert.

Während ein Nachweis von Fissiparie bei heute vorkommenden Schlangensternen recht einfach ist, gestaltet es sich bei ausschließlich fossil erhaltenen Arten schwierig. Umso erstaunlicher ist das von Dr. Ben Thuy und Dr. Günter Schweigert beschriebene Fossil aus Nusplingen! Bei dem versteinerten, sechsarmigen Schlangenstern lässt sich erkennen, dass sich eine Körperhälfte des Tieres im Prozess der Regeneration befand, als Folge einer Fortpflanzungsteilung. Auch weitere Körpermerkmale weisen erstaunliche Parallelen zu heutigen Schlangensternen auf, die sich asexuell durch Teilung fortpflanzen können. Damit handelt es sich hierbei um den ersten und ältesten (etwa 150 Millionen Jahre) fossilen Fund eines Schlangensterns mit nachgewiesener Fissiparie.

Die Autoren nannten die neue Schlangenstern-Art Ophiactis hex. Der Artname hex leitet sich dabei von der Sechsarmigkeit und gleichzeitig vom gleichnamigen magischen Super-Computer aus den Fantasy-Romanen des britischen Autors Terry Pratchett ab – eine Maschine bzw. ein Wesen, das das Undenkbare denken kann.

Veröffentlich wurde der Artikel in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“.

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