Ichthyosaurier in Gefahr!

04.11.2015 | Cristina Gascó Martín

Es gibt Fossilien in unseren Sammlungen, die sich selbst nach Millionen Jahren noch chemisch verändern. Schon viele Wissenschaftler haben den gefürchteten Pyrit-Zerfall untersucht, aber bis jetzt noch keine umfassende Erklärung dafür gefunden. Die dabei entstehende Schwefelsäure bereitet sowohl Kuratoren als auch Präparatoren große Probleme: Im schlimmsten Fall war eine mühsame Präparation vergebens und ein wertvolles Fossil ist für immer verloren.

Der Rumpf von Stenopterygius uniter vor (links) und nach (rechts) der Restaurierung (Bild: C. Gascó Martín / SMNS).

Knochenarbeit

Es ist Sommer. Die Hitze ist fast nicht auszuhalten, doch die Arbeit muss getan werden: Ich restauriere einen Fischsaurier aus Holzmaden. Meine Handschuhe sind voller Kleber und ich versuche, eines von vielen winzig kleinen Knochenfragmenten zu kleben. Unter der Gasmaske fällt es mir schwer zu atmen und ich kann kaum klar denken. Doch schließlich schaffe ich es, das Fragment an der Platte zu befestigen – genau da, wo es hingehört. Genau solch einen Glücksmoment brauche ich, um weiter zu machen!

Der letzte der drei Ichthyosaurier, die ich restauriere, ist über drei Meter lang und nun, nach fünf Monaten Arbeit, fertig. Dank der Unterstützung durch die Stiftung Kunst auf Lager konnte ich in Zusammenarbeit mit dem Urweltmuseum Hauff insgesamt sieben Fossilien aus Holzmaden restaurieren.

Fischsaurier Fossil wird mit Aceton gereinigtFischsaurier Fossil wird mit Aceton gereinigt
Der Fischsaurier Stenopterygius triscissus wird oberflächlich mit Aceton gereinigt (Bild: M. Kamenz / SMNS).

Wenn Pyrit und Markasit in Sammlungen blühen, sind wertvolle Fossilien vom Zerfall bedroht

Die Fundstelle in Holzmaden ist weltweit für die hervorragend erhaltenen Fischsaurier aus dem Posidonienschiefer bekannt. Viele der Fossilien aus Holzmaden wurden im Laufe des 19. und  20. Jahrhunderts geborgen und präpariert. Diese alten Präparate befinden sich inzwischen oft in schlechtem Zustand und müssen daher restauriert werden. Die größte Gefahr für diese Fossilien entsteht durch Mineralien, die bei ungünstigen Bedingungen zerfallen und im Extremfall zur Zerstörung des Fossils führen.

Pyrit und Markasit sind Mineralien, die sich bereits während der Fossilisation durch Austausch mit Elementen aus der Umgebung im Fossil einlagern. Beide Mineralien sind Modifikationen des Eisendisulfids und haben daher die gleiche chemische Formel (FeS2), sie unterscheiden sich lediglich in ihrer Kristallstruktur und werden auch als Schwefeleisen bezeichnet. Verborgen in der Erde bleibt Schwefeleisen Millionen von Jahren stabil, aber sobald die ausgegrabenen Fossilien mit der Atmosphäre in Kontakt kommen, beginnt eine chemische Reaktion, über deren genaue Ursachen wir noch zu wenig wissen.

Zerfallendes Schwefeleisen im FossilZerfallendes Schwefeleisen im Fossil
Zerfallendes Schwefeleisen im Fossil kann auftreten in versteinerter organischer Materie wie z.B. Mageninhalt (links), als aufbrechende Knolle in der Schieferplatte (Mitte) oder im Knochen selbst (rechts) (Bild: C. Gascó Martín / SMNS).

Wie ein Spürhund

Klar jedoch ist, dass das Schwefeleisen durch den Kontakt mit Wasser und Sauerstoff oxidiert und sich dann Eisensulfat (FeSO4) und Schwefelsäure (H2SO4) bildet (Baeza & Menéndez 2005). Aber auch Schwefeleisen abbauende Bakterien (Acidithiobacillus ferrooxidans und A. thiooxidans) könnten für die chemische Veränderung der Mineralien mit verantwortlich sein (Newman 1998). Meiner Meinung nach sind wahrscheinlich beide Prozesse an der Freisetzung von aggressiver Schwefelsäure beteiligt.

Das erste Anzeichen für den Zerfall ist der charakteristische Geruch nach verfaulten Eiern. Daher rieche ich manchmal in der Sammlung wie ein Spürhund an den Schieferplatten. Das klingt vielleicht etwas komisch, aber der Schwefelgeruch ist ein sehr guter Indikator für eine beginnende Reaktion. Sichtbar wird die Wirkung der Schwefelsäure dann spätestens am Zerfall der Magengegend im Fossil bis hin zu deren völliger Auflösung. Zudem kommt es zu so genannten Ausblühungen: Das Schwefeleisen nimmt an Volumen zu, so dass ganze Knochen herausbrechen können. Wenn dieser Prozess nicht gestoppt wird, kommt es im schlimmsten Fall zum Verlust der gesamten betroffenen Zone.

Arbeit gegen den Zerfall

Was kann man tun, um die Fossilien gegen diesen Zerfall zu schützen? Von Bienenwachs bis hin zu Ammoniakgas (Waller 1987) wurde schon alles Mögliche versucht. Am beindruckendsten für mich ist das Beispiel der Iguanodons aus Bernissart. An diesen Fossilien wurden extreme Methoden, sogar die Behandlung mit Arsen, durchgeführt, um sie zu erhalten.

Bei den Exemplaren unseres Museums habe ich mich für eine einfachere Methode entschieden, denn eine Imprägnierung mit giftigem Arsen wäre bei der Größe der Platten zu gefährlich. Ich habe angegriffene Platten zunächst mechanisch mit Druckluftstichel und Sandstrahl sowie chemisch mit Aceton gründlich gereinigt.

Imprägnieren zum Erhalt

Nach der Reinigung habe ich dann verschiedene Imprägnierungsmittel getestet, die verhindern sollen, dass Luftfeuchtigkeit erneut eindringt. Am Ende verwendete ich für Knochen, Krusten und Schiefer jeweils unterschiedliche Imprägnierungen (Schieferöl, methylacrylathaltige Polymere und Polyvinylbutyralharze). Bei zwei Platten war der Zerfall sogar so weit fortgeschritten, dass ich die Knochen zeitweilig entfernen musste, um noch tiefgehender reinigen zu können. In vielen Fällen wird der Zerfall durch die Behandlung jedoch nur verlangsamt. Daher müssen die betroffenen Exemplare regelmäßig kontrolliert werden.

Beschädigte Rippen des Fossils werden entfernt, gereinigt und wieder eingesetztBeschädigte Rippen des Fossils werden entfernt, gereinigt und wieder eingesetzt
Beschädigte Rippen werden entfernt (links) und nach Reinigung wieder eingesetzt (Mitte), bevor das gesamte Fossil imprägniert wird (rechts) (Bild: C. Gascó Martín / SMNS).

Befürchtungen bewahrheitet

Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich leider bald: Bei Kontrollen sah es bei zwei Stücken nach einer erneuten chemischen Reaktion aus. Ich entschloss mich schließlich, Pyrit aus einer fossilen Saurierrippe am Rasterelektronenmikroskop unseres Museums zu untersuchen. Wir fanden eine himbeerartige (sogenannte framboidale) Pyritstruktur, die in Fossilien aus mariner Umgebung auftritt und oft mit bakterieller Aktivität in Verbindung gebracht wird (Wilkin & Barnes 1997; Folk 2005; Garcia-Guinea et al. 2008). Eine Elementaranalyse an der Universität Tübingen bestätigte die chemische Zusammensetzung der Probe aus Eisen, Schwefel und Sauerstoff: Pyrit im Oxidationsprozess.

Stück Ichthyosaurier-Rippe unter dem REM zeigt himbeerartige Auflagerungen von PyritStück Ichthyosaurier-Rippe unter dem REM zeigt himbeerartige Auflagerungen von Pyrit
Ein Stück Ichthyosaurier-Rippe unter dem REM zeigt himbeerartige Auflagerungen von Pyrit (Bild: K. Wolf-Schwenninger / SMNS).

Langfristige Lösung und Prävention

Mit Hilfe der Röntgen-Mikrodiffraktion werden wir bald nochmals Proben in Tübingen analysieren. Dann werden wir noch mehr über die genaue Kristallstruktur der Mineralien erfahren. Dadurch hoffe ich, den Pyrit-Zerfall besser zu verstehen und eine langlebigere Lösung für die Fossilien unserer Sammlung zu finden.

Die wichtigste Präventionsmethode vor Pyritausblühungen scheint auf jeden Fall eine gut klimatisierte Lagerung bei weniger als 45% relativer Luftfeuchtigkeit und bei weniger als 20°C zu sein. Zudem müssen die Platten gut zugänglich gelagert sein, damit sie leicht kontrolliert werden können. Werden Luftfeuchtigkeit und Temperatur nicht konstant gehalten, dann beginnt die Reaktion selbst bei restaurierten Fossilien wieder mit neuer Kraft und viele Stunden mühsamer Arbeit waren umsonst.

Mit dem Einbau einer neuen optimierten Klimaanlage in den entsprechenden Sammlungsräumen werden Pyritblüten in wertvollen Fossilien an unserem Museum hoffentlich bald endgültig der Vergangenheit angehören.

Literatur

  • Baeza, E. & Menéndez, S. (2005). Conservación y restauración de ammonites piritizados del Museo Geominero (IGME, Madrid). Actas de II congreso del Grupo Español del IIC: 385-391.
  • Folk, R. L. (2005). Nanobacteria and the formation of framboidal pyrite: Textural evidence. J. Earth Syst. Sci. 114 (3): 369–374.
  • Garcia-Guinea, J., Martinez-Frías, J., Harffy, M. (1998). Cell-Hosted Pyrite Framboids in Fossil Woods. Naturwissenschaften 85: 78–81.
  • Newman, A. (1998). Pyrite oxidation and museum collections: A review of theory and conservation treatments. The Geological Curator 6(10): 363-371.
  • Waller, R. (1987). An experimental ammonia gas treatment method for oxidized pyritic mineral specimens. Triennial Report ICOM Committee for Conservation. 623-630.
  • Wiikin, R. T. & Barnes, H. L. (1997). Formation processes of framboidal pyrite. Geochimica et Cosmochimica Acta, Vol. 61(2): 323-339.

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