Tod durch Ammonit: Ein Fisch aus dem frühen Jura „erstickte“ an einer Ammonitenschale!

15.01.2024 | Samuel Cooper

Während der Paläontologe Sam Cooper die Ernährungsweise von Fischen aus dem frühen Jura untersuchte, stieß er auf ein ganz besonderes Exemplar von Pachycormus, welches offenbar beim Versuch, eine große Ammonitenschale zu verschlucken, erstickte.

Fossiler Fisch, Pachycormus macropterus aus dem unterjurassischen Posidonienschiefer von Süddeutschland mit einem großen Ammoniten in seinem Verdauungstrakt (Bild: S. Cooper / SMNS).

Ein fantastischer Fang

Fossiler Mageninhalt bleibt nur sehr selten erhalten, kann uns aber besonders wertvolle Einblicke in das Leben und den Tod von Tieren einer längst vergangenen Zeit liefern. Während ich (Sam Cooper, Doktorand am Naturkundemuseum Stuttgart) fossile Fische in der Sammlung des Naturkundemuseums untersuchte, stieß ich auf eine eigenartige Räuber-Beute-Gemeinschaft aus dem Posidonienschiefer des frühen Jura. Diese bestand aus dem großen Knochenfisch Pachycormus, bei dem die Schale eines urzeitlichen Tintenfischverwandten (Ammonit) im Bauch erhalten geblieben ist. Der Ammonit ist unverdaut und gut erhalten. Das deutet darauf hin, dass die Schale erst kurz vor dem Tod des Fisches verschluckt wurde. In Zusammenarbeit mit Dr. Erin Maxwell (Naturkundemuseum Stuttgart) kamen wir zu dem Ergebnis, dass diese letzte Mahlzeit tödlich endete und damit das Verschlucken der Schale direkt zum Tod des Fisches geführt haben muss. Entweder blieb ihm die Schale im Hals stecken, wodurch der Fisch erstickte, oder die scharfen Kanten der Schale schnitten sich in die Magenwand und riefen katastrophale innere Blutungen hervor. So oder so war sein Tod sicher nicht sehr angenehm.

Fossiler Fisch, Größenaufnahme des Ammoniten in seiner Magengegend.Fossiler Fisch, Größenaufnahme des Ammoniten in seiner Magengegend.
Ammonit erhalten im Verdauungstrakt von Pachycormus (Bild: S. Cooper / SMNS).

Ammoniten – ganz schön harte Schalen

Hast du dich jemals beim Anblick eines Ammoniten gefragt, wie er wohl geschmeckt hat? Nein? Ich auch nicht. Einige Bewohner des Jurameeres haben aber sicherlich genau das getan. Trotz ihrer enormen Häufigkeit und weltweiten Verbreitung gibt es bisher nur sehr wenige Nachweise dafür, dass Ammoniten von Wirbeltieren gefressen wurden. Bissspuren auf manchen Schalen wurden wahrscheinlich von Meeresreptilien verursacht. Dass aber auch Fische zu ihren Räubern zählten, konnte bislang nur spekuliert werden. Zunächst dachten auch wir, dass die beiden Tiere nur zufällig zusammen versteinert sind und dass der Fisch einfach auf dem Ammoniten liegt. Eine genauere Untersuchung brachte dann aber die entscheidenden Beweise dafür, dass sich die Ammonitenschale im Inneren des Fisches befand. Damit bestätigte sich unsere Theorie dieser einzigartigen und unerwarteten Räuber-Beute-Beziehung.

Alles nur Schale

Das Fehlen eines Aptychus – eine kieferartige Struktur, die zum Weichköper des Ammoniten gehört – deutet darauf hin, dass die Schale bereits vor dem Verschlucken leer war. Das Verhalten des Fisches ist damit äußerst ungewöhnlich, da eine leere Ammonitenschale keinerlei Nährstoffe enthält. Das Verschlucken kann damit keine Absicht gewesen sein. Erin und ich haben uns folgende zwei Szenarien überlegt, die den Vorfall erklären können:

(1) Tödliche Versuchung?

Die leere Schale trieb vielleicht im Jurameer umher, welches Süddeutschland zu jener Zeit bedeckte. Ihre Bewegungen könnten an einen verletzten Fisch oder Tintenfisch erinnert und damit die Aufmerksamkeit unseres Pachycormus erlangt haben. Der Fisch schlug blitzschnell zu – ohne zu wissen, worum es sich bei der Beute eigentlich handelt – und verschlang sie ohne zu zögern. Sich seines fatalen Fehlers nicht bewusst, oder beim Versuch, die ungewollte Mahlzeit schnell loszuwerden, verschluckte er dann die Schale.

Oder:

(2) Den Mund zu voll genommen?

Der Fisch war gerade dabei, gierig den zerfallenden Weichkörper des bereits toten Ammoniten zu fressen. Dessen leblose Fangarme schaukelten im Wasser hin und her und der Aptychus war längst vom Rest des Körpers getrennt. Plötzlich geht etwas schief, und die Schale bleibt im Mund stecken. Nicht in der Lage, sie wieder herauszubekommen, versucht der Fisch, sie zu schlucken.

Cartoonhafte Darstellung, wie der Fisch die Ammonitenschale verschluckt und daran gestorben sein könnte.Cartoonhafte Darstellung, wie der Fisch die Ammonitenschale verschluckt und daran gestorben sein könnte.
Zeitlicher Ablauf des Ereignisses, das zum Verschlucken des Ammoniten führte – vom Verschlingen bis zur Fossilisation (Bild: S. Cooper / SMNS).

Ein fataler Fehler?

Unabhängig davon, wie es der Ammonit ins Innere des Fisches geschafft hat, zeigt unsere Studie, dass das Ereignis sehr wahrscheinlich tödlich endete. Der Fisch starb nur wenige Minuten oder Stunden nach seiner letzten Mahlzeit. Wir können dies aus zwei Gründen sagen: Zunächst ist die Schale außergewöhnlich gut erhalten geblieben – sogar um einiges besser als die große Mehrheit an Ammoniten, welche in über 200 Jahren bis heute im Posidonienschiefer gefunden wurden. Der Ammonit hatte nur sehr wenig (wenn überhaupt) Kontakt mit Magensäure, vielleicht nur ein paar Minuten. Ansonsten würde man erwarten, dass die aus Aragonit bestehende Schale rasch durch die Säure zersetzt und aufgelöst wird. Der zweite Grund ist die im Verhältnis zum Magen des Fisches enorme Größe der Ammonitenschale. Ihr großer Durchmesser und die ungünstige Form führten wahrscheinlich zu einer tödlichen Blockade im Magen oder noch davor. Es ist recht schwierig, einen geeigneten Vergleich dafür zu finden. Ich vermute, es wäre so, als ob du oder ich versuchen würden, einen Teller zu verschlucken – was ich nicht empfehlen kann, außer du möchtest so enden wie Pachycormus.

Schätze im Keller

Das Fossil wurde dem Naturkundemuseum Stuttgart bereits in den 1970ern gespendet. Dort wurde es umgehend in einem Schrank verstaut und dann vergessen. Es ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ein so bedeutender Fund für fast ein halbes Jahrhundert unbemerkt und ungewürdigt blieb. Ein Bilderbuchbeispiel dafür, warum es wichtig ist, auch alte Museumsexemplare zu untersuchen; auch wenn sie zu Tieren gehören, die als relativ „häufig“ gelten. Wer fantastische Entdeckungen in der Paläontologie machen möchte, muss nicht automatisch am Strand oder im Steinbruch selbst danach suchen. Stattdessen lohnt es sich auch, einen Blick in die Sammlung des nächstgelegenen Museums zu werfen.

Literatur

Cooper, S. L. A., Maxwell, E. E. 2023: Death by ammonite: fatal ingestion of an ammonoid shell by an Early Jurassic bony fish. – Geological Magazine. DOI: https://doi.org/10.1017/S0016756823000456

Kommentare (0)

Keine Kommentare

Kommentar schreiben