13.02.2024

Jurassic horror story: Kannibalismus in Pachycormus!

Science News
Kannibalistischer Pachycormus mit kleinerem Individuum im Inneren des Darms.
Kannibalistischer Pachycormus mit kleinerem Individuum im Inneren des Darms. Bild: SMNS, Cooper

Trotz seiner grausamen Darstellung in Hollywood-Filmen sowie seiner allgemeinen Verurteilung in unserer zivilisierten Gesellschaft ist Kannibalismus (Raubtierverhalten gegen Artgenossen) in der Natur überraschenderweise häufig als auch weit verbreitet. Kannibalismus wurde auf fast jeder Stufe der natürlichen ökologischen Hierarchie beobachtet, von einzelligen Organismen wie Amöben bis hin zu großen Fleischfressern wie Bären und Löwen, die in ihren Nahrungsketten ganz oben stehen. Direkte Belege für Kannibalismus in Fossilien sind jedoch äußerst selten. Allerdings sind sie enorm wichtig, da sie Paläontolog*innen helfen, alte Nahrungsnetze in ausgestorbenen Ökosystemen besser zu verstehen.
 
Fossiler Kannibalismus, bei dem die Beute einer Art im Magen eines anderen Individuums derselben Art erhalten bleibt, ist vor allem von fossilen Fischen bekannt. Allerdings ist dies dennoch äußerst selten und im frühen Jura wurden bisher noch keine Beispiele dafür gefunden. Samuel Cooper, Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart, hat bei der Untersuchung von drei Fossilien des Knochenfisches Pachycormus macropterus nun erste Nachweise für Kannibalismus unter Fischen im Jura gefunden.
 
Pachycormus ist im frühen Jura Europas weit verbreitet, unter anderem in der Posidonienschiefer-Formation von Baden-Württemberg. In der durchgeführten Studie wurden drei Exemplare von Pachycormus untersucht, die aus dem frühen Jura (Toarcium) von Curcy in Nordfrankreich stammen. Interessanterweise sind die kannibalischen Fische nicht ausgewachsen, da sie alle weniger als 40 cm lang sind (Pachycormus wird bis zu 100 cm lang), während die verschluckten Beutefische nicht größer als 8 cm sind. Es handelt sich also nicht um einen Fall von "Erwachsene fressen Jungfische", sondern um Beispiele für "große Jungfische fressen kleinere Jungfische". Das ist so, als würde ein Teenager neugeborene Babys fressen!   
 
Da Kannibalismus nur bei Jungtieren beobachtet wurde, stützt dies die frühere Hypothese, dass sich die jungen Pachycormus ausschließlich von kleineren Fischen ernährten, während die erwachsenen Tiere in tiefere Gewässer abwanderten, um stattdessen Tintenfische zu fangen. Erstaunlich ist, dass trotz der weiten Verbreitung von Pachycormus in Europa nur Exemplare aus Curcy Anzeichen für Kannibalismus aufweisen. Die Studie stellt die Hypothese auf, dass die hohe Zahl der Kannibalismusfunde an diesem Ort und die große Anzahl kleiner Pachycormus-Fossilien darauf schließt, dass die Umwelt gestresst war. Dies bedeutet, dass es ein ungewöhnlich hohes Verhältnis von Pachycormus-Räubern im Vergleich zu ihrer normalen Beute gab. Dieser Ressourcendruck veranlasste wahrscheinlich verzweifelte Pachycormus-Jungtiere dazu, sich wahllos gegenseitig zu kannibalisieren.
 
In einer Studie, zusammen mit Dr. Erin Maxwell (SMNS), wurde bereits ein Exemplar von Pachycormus beschrieben, das an einer Ammonitenschale erstickte (Cooper und Maxwell, 2023). 

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