Umfassende Untersuchungen
Christine Driller von der Universität Mainz war bereits 2005 mit mir nach Sulawesi geflogen, um ihre von mir mitbetreute Diplomarbeit über die Koboldmakis zu schreiben. Bald danach stand für sie fest: es soll auch für ihre Promotion mit Tarsiern weitergehen. Ihr Doktorvater an der Uni Mainz (und mein früherer Chef), Hans Zischler, hatte mit und für Christine DFG-Mittel eingeworben, unsere langjährigen Partner am Indonesischen Primatenzentrum in Bogor halfen beim Einholen der vielen nötigen Genehmigungen. Im Jahr 2010 – ich war mittlerweile an die Uni Frankfurt gewechselt und beriet Christine über Main und Rhein hinweg – war Christine dann fast ein Jahr lang auf Sulawesi unterwegs, flog mit ihrem Team in möglichst viele Provinzen der Insel, nahm dort die artspezifischen Duettgesänge der Koboldmakis auf, fing jeweils einige Tiere mit Japannetzen und entnahm ihnen winzige Gewebeproben für genetische Analysen.
Die umfassenden folgenden Untersuchungen zogen sich nun (wie so oft) ungeplant lang hin – ich hatte mittlerweile meine Berufung am SMNS in Stuttgart gefunden –, aber ihre Ergebnisse lohnten auf jeden Fall den Aufwand! Allerdings mussten wir erst zweimal schauen, um sie zu verstehen. Aber dann fiel es uns wie Schuppen von den Augen, rätselhafte Ergebnisse früherer Studien ergaben plötzlich viel mehr Sinn als vorher. Die Ergebnisse und ihre Interpretation kurzgefasst:
Eine molekulare Datierung des Koboldmaki-Stammbaums legt nahe, dass die Urväter und -mütter der heutigen Tarsier Sulawesis vor ca. 20 Mio. Jahren in die Region des heutigen Südostsulawesis kamen. Und dann passierte viele Millionen Jahre lang erstmal – nichts. Zumindest nichts, was wir aus dem Stammbaum der heute lebenden Tiere herauslesen können, auf seine ausgestorbenen Zweige erlaubt er uns leider keinen Blick. Aber die lange Periode nur geringer Veränderungen ist durchaus plausibel: vor 20-10 Mio. Jahren waren die allergrößten Teile Sulawesis entweder noch nicht an Ort und Stelle (die Insel driftete erst nach und nach aus Mikroplatten zusammen), oder die Landmassen waren noch vom Meer überschwemmt – für kleine Affen ein eher unwirtliches Habitat. Der Stammbaum der sulawesischen Koboldmakis zeigt dann sehr gut, wie die Arten nach und nach immer weiter nach Norden wanderten und den neu besiedelbaren Landmassen folgten. Interessant ist – und das war es, was uns zwischendurch so verblüfft hatte –, dass sich in den genetischen Stammbäumen abzeichnete, dass es immer wieder Hybridisierung zwischen den neuen Koboldmaki-Formen gab (sogar bis hin zur kompletten Übernahme ganzer mitochondrialer Genome anderer Taxa; ein so genanntes „mitochondrial capture“).
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