Die „Rutschete”
Als die Dinosaurier im Jura ihre gewaltige Größe erreichten, war Deutschland vom Meer bedeckt – die Riesenformen aus dieser Tiergruppe waren daher bei uns nicht heimisch. Ihre frühe Evolution, der rasante Aufstieg und die Entwicklung ihrer Vielfalt sind dagegen bei uns außergewöhnlich gut dokumentiert. Ein Fundpunkt sticht heraus: die „Rutschete“ an der Oberen Mühle bei Trossingen. Bereits um 1908 von spielenden Kindern entdeckt, wurden an dem 60 Meter breiten und zwölf Meter tiefen Hang mehrere sehr ergiebige Grabungen durchgeführt. Die zähen, violettbraunen Knollenmergel enthalten dort nämlich zahlreiche Skelette des Dinosauriers Plateosaurus trossingensis, der eine Länge zwischen fünf und acht Metern erreichte. Die mutmaßlichen Pflanzenfresser zählen zu den häufigsten Funden in diesem 205 Millionen Jahre alten Gestein, das in einer ausgedehnten Tonschlammebene abgelagert wurde.
Kommentare (4)
Lieber Herr Weyerer,
Tuebingosaurus wurde etwas überraschend veröffentlicht. Das Material ist sehr fragmentarisch und unvollständig, und es ist auch nicht klar, aus welcher Schicht genau die Tübinger Funde stammen, weil die Aufzeichnungen von Friedrich von Huene, der das Material geborgen hat, leider in den 1980er Jahren verloren gegangen sind.
Wir versuchen derzeit, zunächst alle Skelette anatomisch zu erfassen und dann die Diversität durch die verschiedenen Schichten (und Zeiten) hindurch zu verfolgen. Es zeigt sich bereits, dass einige der Merkmale, die Tuebingosaurus definieren, auch bei manch anderen Skeletten vorkommen, allerdings ist die Kombination noch verwirrend. Es ist gut möglich, dass es sich um eine Variante von Plateosaurus trossingensis handelt. Ebenso möglich ist, dass es eine ganze Reihe verschiedener Arten in Trossingen gab. Zudem gab es vermutlich in dem langen Zeitraum reichlich Zu- und Abwanderung der großen Pflanzenfresser in die Trossinger Region.
In den nächsten Jahren werden wir jedenfalls mit neu eingeworbenem Geld intensiver und in größerem Maßstab graben können, was sicher bei der Klärung auch dieser Frage helfen wird.
Viele Grüße
Rainer Schoch
Vielen Dank für Ihre Antwort, ich freue mich auf den Blog oder andere Artikel. Erkenntnis braucht auch Geduld!
Wurden bei Ihren Grabungen noch andere Exemplare, z.B. Schildkröten oder andere Saurier, gefunden?
Gibt es Rückschlüsse auf die Fauna oder Flora - Was haben die Pflanzenfresser gefunden - Bei einer solchen Häufung von Skeletten ein naheliegende Frage. Viel Erfolg bei der Auswertung der Funde.
Lieber Herr Weyerer,
diese Frage beschäftigt uns natürlich auch. Nach neuester Zählung dürften im Trossinger Hügel bisher rund 110 Skelette gefunden worden sein, zuletzt mehrere im Jahr 2024. Die hohe Zahl an Funden hatte bereits Herrn von Huene dazu verleitet, mehrere Arten zu sehen; diese wurden aber über die Jahre alle wieder eingezogen.
Wir halten uns bisher noch zurück, solange wir die (noch vorhandenen, d.h. im 2. Weltkrieg nicht verbrannten) Funde alle gründlich untersucht haben. Gut möglich, dass in den 12 m Gestein nicht nur evolutionäre Veränderungen stecken, sondern auch vielfältige Wanderungsbewegungen der Plateosaurier dokumentiert sind.
Tuebingosaurus könnte eine andere (aber eng verwandte) Gruppe großer Pflanzenfresser repräsentieren, die in einer bestimmten Phase nach Trossingen einwanderte, aber wir wissen noch zu wenig, wie häufig die Merkmale dieser neu aufgestellten Gattung und Art in der "Population" der Trossinger Plateosaurier wirklich verteilt sind. Am Ende unserer Untersuchungen planen wir einen Kassensturz, bei dem alle Merkmale kritisch beleuchtet werden. In der Schweizer Fundstelle Frick wurde das schon gemacht, und da ergab sich bisher nur eine einzige, wenn auch sehr diverse Art.
Wir vermuten, dass es in Trossingen beides gab - Mikroevolution vor Ort, aber auch Zuwanderung anderer Gruppen in manchen Phasen. Eine andere Frage ist, ob das Material, auf dessen Basis Tuebingosaurus definiert wurde, ausreicht; da haben wir gegenwärtig noch Zweifel, weil es sehr bruchstückhaft ist.
Sobald wir mehr wissen, wird es einen neuen Blog geben. Wir konnten dieses Jahr viele spannende neue Erkenntnisse über die Landschaft gewinnen, und die Plateosaurier erscheinen dadurch ökologisch in einem neuen Licht - aber davon nächstes Jahr mehr...
Liebe Grüße
Rainer Schoch
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen ihren Funden des Plateosaurus und den Fund eines Tuebingosaurus in Trossingen?
Ist bereits eine Zuordnung erfolgt? Waren beide im gleichen Lebensraum? Oder laufen diese Untersuchungen noch?
Vielen Dank für Ihre Bewertung. Ich finde das furchtbar spannend und bin sehr gespannt,