Biodiversität in Baden-Württemberg: Naturschutzgebiete sind wichtig für Wildbienen

15.07.2025 | Dr. Tobias Frenzel

Es ist wichtig zu wissen, welche Insektenarten um uns herum leben, damit wir sie in Zukunft besser schützen können. Doch Insekten zu erfassen, ist gar nicht so einfach. Tobias Frenzel, Entomologe am Naturkundemuseum Stuttgart, erklärt, warum das so ist und stellt erste Ergebnisse des Fluginsekten-Monitorings in Baden-Württemberg vor. Wissenschaftler*innen des Naturkundemuseums Stuttgart führen das Projekt durch, das von der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg konzipiert und finanziert wird. Unterstützt werden sie dabei vom Entomologischen Verein Krefeld. Die Untersuchungen der Wissenschaftler*innen bestätigen den großen Wert von Naturschutzgebieten für die Artenvielfalt.

Eine seltene und gefährdete Braunschuppige Sandbiene (Andrena curvungula). (Bild: S. Bigalk / SMNS)

Was ist das Monitoring flugaktiver Insekten?

In Baden-Württemberg werden Insekten gezählt, um herauszufinden, wie sich die Bestände der Arten entwickeln. Zum Beispiel flugaktive Insekten, die stichprobenartig erfasst werden. Eine solche sich wiederholende, systematische, methodisch standardisierte Erfassung nennt man Monitoring. Beim sogenannten Monitoring flugaktiver Insekten geht es hauptsächlich um die Erfassung der Insektenbiomasse, aber auch um einzelne Artengruppen wie zum Beispiel Wildbienen, Wespen und Fliegen. Es ist einer von insgesamt sechs Bausteinen der landesweiten Erhebung von Grundlagendaten der Insektenbestände in Baden-Württemberg, welche seit 2018 von der LUBWim Auftrag der Landesregierungdurchgeführt wird.

Weitere Teile dieses Programms sind beispielsweise das Monitoring von Tagfaltern und Widderchen, sowie das Heuschrecken- und das Laufkäfermonitoring (weitere Infos dazu gibt es HIER).

Krefelder Studie belegte erstmals Insektensterben

Im Jahr 2017 veröffentlichte der Entomologische Verein Krefeld eine viel beachtete Studie zum Insektenrückgang. Erstmals wurde eine wissenschaftliche Langzeiterfassung der Biomasse von Fluginsekten in Deutschland ausgewertet - mit Ergebnissen aus fast 30 Jahren. Die Ergebnisse der Studie zeigten einen Rückgang der Biomasse flugaktiver Insekten, und war einer der ersten Belege für die Dringlichkeit des Insektenschutzes.

Das Monitoring flugaktiver Insekten in Baden-Württemberg baut auf diesen Erfassungen auf und ist ebenfalls als Langzeitprojekt geplant. Damit sollen die erhobenen Daten mit denen aus der Vergangenheit vergleichen, und langfristige Entwicklungen der Biomasse von flugaktiven Insekten abgeleitet werden.

Insektenerfassung in der geschützten und nicht geschützten offenen Kulturlandschaft

Die Aufgaben des Museums beinhalten das Aufstellen und die Wartung sogenannter Malaisefallen, mit denen alle zwei Wochen eine zufällige Stichprobe aus den Artengemeinschaften der Insekten entnommen wird. Da Insekten des Offenlands der Kulturlandschaft im Fokus stehen, werden die Fallen in Landschaften aufgebaut die von Grün- und Ackerland geprägt sind, Insekten in Wäldern werden in diesem Teil des Insektenmonitorings nicht erfasst.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Hälfte der Flächen in Naturschutzgebieten liegt, die andere Hälfte außerhalb. So kann gleichzeitig die Situation der Insekten in Naturschutzgebieten mit der in ungeschützten Gebieten verglichen werden.

Da die meisten Insekten im Winter nicht aktiv sind, finden die Untersuchungen jeweils von Frühjahr bis Herbst statt. Jedes Jahr werden zehn Stationen aufgebaut, die wie kleine Zelte aussehen. Die Insekten werden in einer Flasche gefangen, die zur Probenahme einfach abgeschraubt werden kann. Das Wichtigste kommt aber erst danach, nämlich die Archivierung der Proben. Um die Insekten sehr lange haltbar zu machen, werden sie in Behältern mit Ethanol konserviert und in Gefrierschränken gelagert. Ziel ist es, die Arten später genau bestimmen zu können, auch genetisch. Da alle vier Jahre die gleichen Flächen untersucht werden, wird es in Zukunft möglich sein, die Entwicklung der Insektenpopulationen an diesen Standorten zu ermitteln. Damit können wichtige Fragen beantwortet werden: Kommen die gleichen Arten über einen längeren Zeitraum vor oder verschwinden einige? Kommen neue Arten hinzu und breiten sich aus? Gibt es einen Insektenrückgang in Baden-Württemberg?

Besonders schnell lässt sich die Biomasse von Fluginsekten erfassen. Die Proben werden in der Regel direkt nach dem Sammeln im Labor gewogen. Anhand der Biomasse lässt sich abschätzen, ob viele oder wenige Insekten im Gebiet vorhanden sind - denn mehr Gewicht bedeutet in der Regel auch mehr einzelne Insekten.

Die Stationen des Fluginsekten-Monitorings Baden-Württemberg stehen auf Wiesen an insgesamt 40 Standorten in Baden-Württemberg von März bis Anfang November. Um negative Auswirkungen auf die Insektenpopulationen vorsichtshalber auszuschließen, vor allem in den Naturschutzgebieten, werden jedes Jahr nur 10 der Fallen aufgestellt. Auf diese Weise werden die einzelnen Wiesen nur alle 4 Jahre untersucht. Allerdings gilt die Auswirkung solcher lokalen Fallen als verschwindend gering, da die Insekten nicht aktiv angelockt werden, wie es zum Beispiel nachts bei Straßenlaternen oder Scheinwerfern der Fall ist – diese wirken nämlich auf viele nachtaktive Arten wie eine Lichtfalle. Auch mit einer flächendeckenden Ausbringung von Pestiziden, etwa auf einem Acker, die auch angrenzende Naturräume beeinträchtigen kann, ist der Eingriff nicht zu Vergleichen. (Bild: M. Sorg / Entomologischer Verein Krefeld)
Eine Malaisefalle in einem Naturschutzgebiet bei Königsbach-Stein im Enzkreis. Die Falle erinnert an ein Zelt. Durch Öffnungen an zwei Seiten des "Zelts" gelangen fliegende Insekten zufällig unter das aufgespannte Dach und fallen dort in einen Sammelbehälter. (Bild: R. Gamba / SMNS)

Erste Ergebnisse des Monitorings flugaktiver Insekten in Baden-Württemberg

Im Gegensatz zum Wiegen der Biomasse ist die genaue Bestimmung der Arten deutlich zeitaufwendiger. Bisher ist es unserem Team gelungen, die Wildbienenarten aus drei Monitoringjahren (2019-2021) genauer zu untersuchen. Dabei wurden insgesamt 14.199 Bienen aus den Proben heraus sortiert, und anschließend unter dem Stereomikroskop genau untersucht und bestimmt. Dabei konnten insgesamt 239 Arten aufgezeichnet werden. Neben der Bestimmung war außerdem Zeit für die Präparation, Beschriftung und Archivierung der einzelnen Bienen in der Sammlung notwendig.

Bienen sind damit die erste Insektengruppe, die wir in größerem Umfang auswerten konnten. Da noch nicht genügend Langzeitdaten vorliegen, zum Beispiel über 8 oder 12 Jahre, sind belastbare Aussagen derzeit nur zum Vergleich von Naturschutzgebieten in der offenen Kulturlandschaft mit der ungeschützten Kulturlandschaft möglich. Wie genau sich die Insektenpopulationen über einen längeren Zeitraum entwickeln, kann also erst in der Zukunft analysiert werden.

Fun Fact: In Deutschland gibt es insgesamt rund 580 Bienenarten, 493 davon kommen in Baden-Württemberg vor.

Schutzgebiete sind wichtig für Wildbienen

Ende letzten Jahres haben wir erste Ergebnisse zu den von uns nachgewiesenen Bienenarten und der gesamten Insektenbiomasse in einer Fachzeitschrift veröffentlicht (Frenzel et al., 2024). Unsere Ergebnisse zeigen: Es gibt mehr Bienenarten in Schutzgebieten als in nicht geschützten Gebieten. Wir haben bei der Auswertung auch andere Faktoren berücksichtigt, wie zum Beispiel die Pflanzenarten, die auf den Flächen vorkommen, oder die Zusammensetzung der umgebenden Landschaft. Der Stickstoffgehalt des Bodens sowie die Artenzahl insektenbestäubter Pflanzen spielten auch eine Rolle, hatten allerdings einen kleineren Einfluss als der Schutzstatus: Im Durchschnitt sind es 14 zusätzliche Bienenarten, deren Vorkommen allein auf den Schutzstatus der Naturschutzgebiete zurückzuführen ist. Obwohl wir erwartet hatten, dass in Naturschutzgebieten mehr Bienenarten vorkommen, war es wichtig, diesen Zusammenhang nachzuweisen. Es zeigt, dass Naturschutzgebiete auf nur 2,5% der Landesfläche einen Großteil der heimischen Wildbienenvielfalt beherbergen. Diese Schutzgebiete sind damit ausgesprochen wichtig für den Erhalt von vielen Wildbienenarten.

Ein Hinweis darauf, was die Naturschutzgebiete zu geeigneteren Lebensräumen für die Wildbienen machen könnte, ist der Stickstoffgehalt des Bodens. Dieser ist in der ungeschützten Kulturlandschaft deutlich höher, geschätzt anhand der jeweiligen Pflanzengemeinschaften auf den Flächen. Vermutlich ist der Nährstoffeintrag in der ungeschützten Kulturlandschaft durch die intensivere Bewirtschaftung höher.

Biomasse vergleichbar, Artenzahl entscheidend

Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Werte der Biomasse der flugaktiven Insekten in Schutzgebieten und der ungeschützten Kulturlandschaft keine grundlegenden Unterschiede zeigen. Das hatten wir zunächst nicht erwartet, es ist aber auch nicht ungewöhnlich, wie der Vergleich mit ähnlichen Studien zeigt. Wir ziehen daraus den Schluss, dass es umso wichtiger ist, die Arten genau zu betrachten, da Biodiversität und Insektenbiomasse nicht unbedingt die gleichen Muster aufweisen müssen. Auch wenn dies bei Insekten sehr aufwendig ist. Dass man genau hinschauen muss, zeigt übrigens auch die Auswertung der Rote-Liste-Arten. Denn in den Naturschutzgebieten gab es nicht nur insgesamt mehr Bienenarten, sondern auch mehr gefährdete Arten der Roten Listen Deutschlands und Baden-Württembergs.

Um einen ersten Anhaltspunkt zu bekommen, wie viele Insekten an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst wurden, wird die Biomasse der Insekten mit einer Waage bestimmt. (Bild: R. Gamba / SMNS)

Was wir noch nicht wissen ...

Bisher können wir nur die ersten Jahre eines langfristig angelegten Projektes betrachten. Aussagen über Trends sind daher zum jetzigen Bearbeitungsstand noch nicht möglich. Dazu muss das Monitoring noch länger durchgeführt und die bereits gesammelten Proben weiter bearbeitet werden. So können wir zum Beispiel noch nicht sagen, ob die Artenzahlen der Bienen in den Schutzgebieten stabil sind. Auswertungen anderer Langzeitstudien haben gezeigt, dass die Artenzahlen von Tagfaltern, Bienen, Käfern und Spinnen in Naturschutzgebieten zwar generell höher sind, die Arten aber mit der gleichen Rate aus der Landschaft verschwinden wie in der ungeschützten Kulturlandschaft (Cooke et al. 2023; Rada et al. 2018). Die Ursachen sind zwar durch viele Publikationen erwiesen, jedoch sind die Anteile und das Zusammenspiel noch nicht vollständig geklärt. Klimawandel, Lebensraumverlust, Nährstoffeintrag, Pestizide, Lichtverschmutzung und andere belastende Einflüsse spielen eine Rolle, aber es ist noch viel Forschung nötig, um die genauen Zusammenhänge der vielen Faktoren zu verstehen.

Wie helfen die Ergebnisse, Insekten besser zu schützen?

Die Ergebnisse werden uns helfen, Strategien zu finden, wie wir unsere heimischen Insekten besser schützen können. Sollte sich herausstellen, dass die Zahl der Bienenarten in den Naturschutzgebieten Baden-Württembergs tatsächlich zurückgeht, könnten die erfassten Daten über die Landnutzug im Umkreis, die Artengemeinschaften der Pflanzen, aber auch allgemeine Wetterdaten Aufschluss über die Ursachen geben. Daraufhin könnten Empfehlungen gegeben werden, wie die Schutzgebiete noch effektiver geschützt werden könnten. Hilfreich könnte zum Beispiel  die Einrichtung von Pufferzonen  um die Schutzgebiete herum sein, in denen dann bestimmte Landnutzungsregeln eingehalten werden sollten, wie zum Beispiel eine begrenzte Anwendung von Pestiziden oder Düngemitteln.

Wie geht es weiter mit dem Monitoring flugaktiver Insekten?

Da sich die Methoden zur Bestimmung von Insektenarten auch in Zukunft weiterentwickeln werden, besitzen die Proben einen hohen Wert für künftige, umfassendere Untersuchungen. Zum einen ist es denkbar, dass eine automatisierte Bilderkennung in einigen Jahren oder Jahrzehnten eine genaue Bestimmung der Insektenarten ermöglicht, was deutlich schneller gehen würde als die manuelle Bestimmung unter dem Mikroskop. Zum anderen könnten sich von uns bereits angewandte molekulare Bestimmungsmethoden weiterentwickeln, die eine sichere Identifizierung ermöglichen, indem sie Insekten allein anhand von DNA-Rückständen in der Umwelt nachweisen. Sicher identifizierte Insekten  werden in die entomologische Sammlung aufgenommen und langfristig archiviert. Das Monitoring flugaktiver Insekten ist somit eine Schnittstelle zwischen aktueller Forschung und klassischer Museumsarbeit.

Am Fluginsektenmonitoring beteiligt sind und waren: Sonia Bigalk,  Dr. Tobias Frenzel, Raffaele Gamba, Dr. Sebastian Görn, Dr. Michael Haas, Dr. Maura Haas-Renninger, Andreas Haselböck, Thomas Hörren, Prof. Dr. Lars Krogmann, Dr. Martin Sorg, Hubert Sumser, Florian Theves, Dr. Mike Thiv, Ingo Wendt.

Literatur

  • Frenzel, T., Bigalk, S., Gamba, R., Görn, S., Haas, M., Haas‐Renninger, M., ... & Krogmann, L. (2025). Higher bee species richness in conservation areas compared with non‐conservation areas in south‐west Germany. Insect Conservation and Diversity, 18(2), 191-205.

  • Cooke, R., Mancini, F., Boyd, R. J., Evans, K. L., Shaw, A., Webb, T. J., & Isaac, N. J. (2023). Protected areas support more species than unprotected areas in Great Britain, but lose them equally rapidly. Biological Conservation, 278, 109884.

  • Rada, S., Schweiger, O., Harpke, A., Kühn, E., Kuras, T., Settele, J., & Musche, M. (2019). Protected   areas do not mitigate biodiversity declines: A case study on butterflies. Diversity and Distributions, 25(2), 217–224.

  • Rote Listen Baden-Württemberg. https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft/rote-listen

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