Alarmstufe Rot – Insektensterben statt Bienentanz

08.11.2016 | Prof. Dr. Lars Krogmann

Der Rückgang von Wildbienen und anderen Insekten hat bei uns in Deutschland alarmierende Ausmaße erreicht. Daher haben 77 Experten eine Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insekten verabschiedet. Wir hoffen, dass es uns gelingt noch rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, damit wir auch für kommende Generationen eine vielfältige Landschaft mit einer reichen Tier- und Pflanzenwelt erhalten können.

Wissenschaftler fordern Sofortmaßnahmen gegen drohendes Massenaussterben!

Der Rückgang von Wildbienen und anderen Insekten hat bei uns in Deutschland alarmierende Ausmaße erreicht. Die ökologischen und ökonomischen Folgen dieses Rückgangs sind nicht abzuschätzen. Auf einer von meinen Kollegen und mir organisierten Fachtagung am Stuttgarter Naturkundemuseum haben 77 Experten eine Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insekten verabschiedet. Zu den Forderungen, die wir nun an Bundesumweltministerin Dr. Hendricks verschickt haben, gehören ein Verzicht auf bestimmte Insektizide (Neonicotinoide) sowie Sofortmaßnahmen zur Förderung blühender Wildkräuter in der Kulturlandschaft.

Insekten sind lebenswichtig

Insekten leben meist im Verborgenen und doch sorgen sie dafür, dass die Welt um uns herum funktioniert. Sie bestäuben Pflanzen, halten unsere Böden sauber, und regulieren als natürliche Gegenspieler die Bestände anderer Insekten. Hautflügler (Bienen, Wespen, Ameisen) gehören zu den ökologisch und ökonomisch besonders wichtigen Insekten und kommen bei uns in Deutschland mit etwa 10 000 Arten vor. Bestäubungsleistungen von Wildbienen und Honigbienen werden von der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, allein in Deutschland auf einen Wert von etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Mindestens genauso wichtig sind Heerscharen von Ameisen und parasitischen Wespen, die als Gegenspieler von pflanzenfressenden Insekten eine Schlüsselrolle in unseren Ökosystemen einnehmen.

Mohnbiene (Hopitis papaveris) beim Blütenbesuch auf einer Kornblume (Bild: R. Prosi).

Artenschwund in Deutschland

Die intensive Landwirtschaft hat in Deutschland zu einer strukturellen Verarmung der Landschaft geführt, was fatale Auswirkungen auf die Biodiversität hat. Auch Überdüngung und der Einsatz von Pestiziden setzen den Insekten zu. Kollegen aus Nordrhein-Westfalen haben Insektenbestände über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren untersucht und beobachtet, dass immer mehr Arten aussterben und die Insektenzahl insgesamt deutlich zurückgeht. Diese Entwicklung hat sich in den letzten 15 Jahren dramatisch beschleunigt, wie jüngste Auswertungen zeigen. Im gleichen Zeitraum wurden vermehrt neue hochwirksame Insektizide, die sogenannten Neonicotinoide, gegen Schädlinge wie Blatt- und Schildläuse, Schmetterlinge, Zikaden und Käfer eingesetzt. Auf Honigbienen zeigte das Nervengift zunächst keine tödliche Wirkung. Daher sahen die Verantwortlichen auch keinen Grund, die neuen Pestizide nicht zuzulassen. Mittlerweile gibt es jedoch zahlreiche Untersuchungen, die zeigen, dass der Rückgang von Insekten mit dem vermehrten Einsatz von Neonicotinoiden in Verbindung gebracht werden kann. So führten selbst geringste Mengen bei untersuchten Hummel- und Mauerbienenvölker zum Einbruch ihrer Populationen. Neonicotinoide blockieren die Reizweiterleitung im Nervensystem und führen zu drastischen Verhaltensänderungen bei den betroffenen Insekten, die das Nestbauverhalten, die Partnerfindung oder die innerartliche Kommunikation negativ beeinflussen.

Erzwespe Anogmus hohenheimensis (Bild: A. Haselböck).

77 Forscher schlagen Alarm

Die Hymenopterologen-Tagung Stuttgart ist die wichtigste Plattform der mitteleuropäischen Experten für Hautflügler und findet alle zwei Jahre an unserem Naturkundemuseum statt. Sie dient neben der Präsentation aktueller Forschungsergebnisse auch dem Informations- und Erfahrungsaustausch, der Öffentlichkeitsarbeit und der Netzwerkbildung zwischen den Wissenschaftlern. Auf der diesjährigen Tagung wurde eine Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insekten verfasst. Diese Resolution wurde von 77 Experten, darunter Mitglieder des Arbeitskreises Wildbienenkataster und Vertreter zahlreicher Naturkundemuseen und Universitäten verabschiedet. Zu den Hauptforderungen der Resolution gehören:

  1. Ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit.
  2. Die Erhöhung der Strukturvielfalt in der Kulturlandschaft durch Etablierung eines Blüten-Managements.
  3. Die Einführung eines Langzeit-Monitorings von Insekten auf repräsentativen Flächen in Deutschland.
  4. Die Einführung eines strengeren Schutzstatus für hochgradig gefährdete Insektenarten wie Wildbienen in der Bundesartenschutzverordnung.
Teilnehmer der 12. Hymenopterologen-Tagung Stuttgart (14.10 – 16.10.2016) (Bild: SMNS / H. Rajaei).

Mein Kollege Prof. Johannes Steidle von der Universität Hohenheim und ich haben diese Resolution am 25.10.2016 an Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks verschickt. Wir hoffen auf politische Unterstützung für unsere Forderungen. Mit einer zusätzlichen Pressemitteilung des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart und der Universität Hohenheim haben wir auf das drohende Massenaussterben von Insekten in unseren Naturlandschaften hingewiesen und waren von der großen Resonanz überwältigt. Wir hoffen, dass es uns gelingt noch rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, damit wir auch für kommende Generationen eine vielfältige Landschaft mit einer reichen Tier- und Pflanzenwelt erhalten können.

Blattwespe Tenthredo omissa (Bild: A. Haselböck).

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