Das Uferaas
Mein sofortiger Verdacht bestätigte sich, als ich das mitgeschickte Foto sah, auf dem zahllose Insektenleichen die Straßenränder auf der Brücke über die Enz bedeckten: das Uferaas! Dazu muss man wissen: Bei Erwähnung des Namens „Uferaas“ läuft Eingeweihten ein wohliger Schauer den Rücken herunter, denn dieses Tier weckt Erinnerungen an bessere Zeiten für Insekten. Das Uferaas, wissenschaftlich Ephoron virgo, ist eine Eintagsfliege, die in vergangenen Jahrhunderten berühmt für ihre sommerlichen Massenflüge an den Unterläufen größerer Flüsse war.
So berichtete schon 1757 Jacob Schäffer in seiner Abhandlung Vom fliegenden Uferaas, wegen desselben am elften Augustmon. an der Donau, und sonderlich auf der steinernen Brücke, zu Regensburg ausserordentlich häufigen Erscheinung und Fluges: „Es habe nämlich am 11ten des gegenwärtigen Augustmonathes, Abends gegen 11 Uhr, da es sehr schwül gewesen, und ein starkes Donnerwetter am Himmel gestanden, auch schon wirklich geblitzt habe, eine ungeheure Menge fremder und unbekannter Fliegen, oder, wie einige es nannten, Vögel geregnet. Diesselben wären, wie an verschiedenen Orten des Donaustromes, so sonderlich auf hiesiger steinernen Brücke, in solcher Höhe niedergefallen, daß sie am letzten Orte nicht nur alle Steine gänzlich bedeckt hätten, sondern auch hin und wieder 2 und 3 Zolle hoch übereinander gelegen wären. Wer zu derselben Zeit auf der Brücken gegangen oder gestanden seye, wäre von denselben ganz weiß, wie überschneiet, geworden.“
Was Jacob Schäffer in Regensburg wunderte, wusste im 19. Jahrhundert jeder Einheimische an der Elbe: Längs des Flusses wurden in regelmäßigen Abständen Feuer entfacht, um die schlüpfenden „Weisswürmer“ anzulocken, die nach Sonnenuntergang mitten aus dem Gewässer emporstiegen. Karl Ruß schrieb 1887 in der damals populären Zeitschrift „Die Gartenlaube“: „Nach altherkömmlicher Gewohnheit, ohne Streit und Zank, nehmen die Leute familienweise von je einer Stelle am Ufer Besitz, errichten einen etwa 3 Meter großen viereckigen Herd, unmittelbar am Wasser und ein wenig in den Strom hinein, bauen in der Mitte eine kleine Feuerstelle auf und legen auf diese ein altes Drahtgeflecht. Darauf stellen sie einen weiten, irdenen Topf ohne Boden und entzünden in diesem Kienholz. Bald umschwärmen die Hafte jedes Feuer förmlich wie Schneeflocken zu Millionen, fallen mit versengten Flügeln auf ringsum ausgebreitete Sackleinwand nieder, werden zusammengekehrt und in Körbe geschüttet…Die an der Luft getrockneten, durch Schütteln und Abblasen von den Flügeln befreiten Hafte werden nun als Weißwurm in den Handel gebracht.“ Genutzt wurden die Tiere nicht nur als Fischköder oder Futter für Ziervögel. Bauern verfütterten die Unmengen an Insekten auch den Schweinen oder brachten sie gar auf den Feldern als Dünger aus.
Kommentare (1)
Äußerst interessante Informationen zum Massenauftreten der Uferaas. Seit zwei Jahren tritt dies auch bei uns in Mittelhessen an der Lahn bei Roth auf. Auf der Brücke über die Lahn finden sich auch Unmegen der Insekten gerade in dieser Woche (2.9.2024).
Viele Grüße