Die Verwandten der Ananas

05.05.2014 | Dr. Nicole Schütz

Auch wenn die Ananas eine überaus köstliche Frucht ist, der Zweck meiner Forschung und der zugehörigen Sammelreisen gilt nicht den kulinarischen Genüssen.

Auf der Suche nach Bromelien in den Bolivianischen Anden

Die Familie der Ananasgewächse oder Bromelien (Bromeliaceae) ist eine sehr formenreiche Pflanzengruppe. Dazu gehören sowohl wenige Zentimeter große Pflanzen als auch über vier Meter hohe Arten, Bodenbewohner ebenso wie Aufsitzerpflanzen (Epiphyten), und nur sehr wenige davon sind essbar.

Meine Untersuchungen, die ich zusammen mit Kollegen aus Kassel und Frankfurt durchführe, beschäftigen sich mit der Taxonomie und Evolution der Bromelien. Wir wollen herausfinden, welche Arten es in dieser Gruppe gibt, wie sie miteinander verwandt sind und wann sie entstanden. Dafür sind das Sammeln von Pflanzenmaterial und das Studium der Pflanzen an ihrem natürlichen Standort elementar, denn erst dadurch bekomme ich einen Eindruck von der morphologischen Variabilität einer Art und ihrer Ökologie.

Lange Autofahrten und Kletterpartien

Mich interessiert insbesondere die Gattung Deuterocohnia, die hauptsächlich im Süden Boliviens und Norden Argentiniens verbreitet ist. Dorthin unternahm ich eine mehrwöchige Sammelreise. Das ist weniger romantisch als man sich vielleicht allgemein vorstellt. Die meiste Zeit des Tages verbrachten wir nämlich im Auto.

Wir versuchten Strecke zu machen, um ein möglichst großes Gebiet abzudecken, was bei den Straßenverhältnissen vor Ort einigermaßen Zeit erfordert. Dabei suchten wir mit und ohne Fernglas die Hänge ab. Entdeckten wir die Objekte unserer Begierde, standen wir allerdings oft vor einem Problem: die Hänge waren steil und hoch und die Bromelien wuchsen zu unserem Leidwesen selten auf Augenhöhe. Also kletterten wir so weit möglich und behalfen uns mit diversen verlängerten Werkzeugen.

Kolibris und Farbenpracht

Nicht immer, aber doch häufig genug, konnten wir zu „meinen“ Deuterocohnia-Pflanzen vordringen. Wir sammelten nicht nur herkömmliche Belegexemplare für das Herbar, sondern konservierten auch Blattproben in Silica-Gel, um sie später für genetische Analysen verwenden zu können. Wir nahmen auch zusätzliche Daten auf: Neben geographischen Koordinaten und Höhenmetern notierten wir bestimmte Pflanzenmerkmale wie Größe, Anzahl und Farbausprägungen. Wir vermerkten auch Informationen zu Begleitflora und Bestäubern. Deuterocohnia-Arten werden vorwiegend von Kolibris bestäubt.

Bei unserer Reise ist mir erst so richtig die Variabilität der Art Deuterocohnia meziana aufgefallen. Außerordentlich interessant sind die Blüten, die verschiedenste Kombinationen an Gelb-, Orange- und Rottönen zeigen. Das ist auch deshalb von Interesse, da die Blütenfarbe fast aller Deuterocohnia-Arten gelb bzw. gelb-grün ist. Das Auftreten von „neuen“ Merkmalsausprägungen, die aber noch viele Übergänge zeigen, kann ein Anzeichen für voranschreitende Artbildung sein.

Die Blüten der vier Unterarten von Deuterocohnia meziana (von l.n.r.): ssp. pedicellata, ssp. meziana; ssp. carminea-viridiflora; ssp. vogtii.

Das Ergebnis: Neue Unterarten und ihre Verbreitung

Zurück in Stuttgart konnte ich nach näherer Untersuchung der Morphologie und der Verbreitung ein neues taxonomisches Konzept für Deuterocohnia meziana aufstellen. Sie beinhaltet jetzt die vier Unterarten Deuterocohnia meziana ssp. meziana, ssp. pedicellata, ssp. carminea-viridiflora und ssp. vogtii.

Alle Unterarten sind an sehr trockene Standorte angepasst. Die Unterart ssp. pedicellata ist bisher lediglich in einem innerandinen Tal Boliviens nachgewiesen und ähnelt mit ihren gelben Blüten am ehesten den anderen Arten der Gattung. Am weitesten verbreitet ist dagegen Deuterocohnia meziana ssp. meziana, die im Süden Boliviens und Westen Brasiliens beheimatet ist. Diese Unterart hat orangene Blüten und bringt mit bis zu 1 m langen Blättern die größten Pflanzen innerhalb der Art hervor. An höhere Lagen angepasst ist die kräftig rot blühende Unterart ssp. carminea-viridiflora, die in den Anden um Cochabamba bis über 2000 m hinaufsteigt. Im Gegensatz dazu ist die paraguayanische Unterart ssp. vogtii in sehr niedrigen Lagen um 100-300 m verbreitet.

Diese Arbeit ist die Basis für weitere Untersuchungen zu Differenzierungsprozessen innerhalb von Deuterocohnia meziana, zu denen auch molekulargenetische Studien gehören.

Verbreitungskarte der vier Unterarten in Südamerika.

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