Gibt es Leben am heißesten Punkt der Erde?

10.02.2017 | Dr. Hossein Rajaei

Die Wüste Lut im äußersten Südosten des Irans: Das ist der „Hitzepol“ der Erde. Ausgerechnet dorthin zog es ein internationales Team aus 10 Wissenschaftlern im November 2016. Was suchten die Forscher am heißesten Punkt der Erde?

Durch Wind und Wasser entstandene tafelförmige Erosionsformen, so genannte Yardangs, sind in vielen Bereichen der Wüste Lut zu finden.

Extremer Lebensraum

Die ersten waren wir nicht. Der berühmteste Vorläufer war der österreichische Arzt und Naturforscher Alfons Gabriel (1894-1976) Er bereiste die Wüste Lut dreimal, um dieses Extremgebiet zu erforschen. Seine Vermutung, Lut sei das heißeste Gebiet der Welt, wurde im Jahr 2005 durch Messungen mit dem Infrarot-Radiometer des NASA-Aqua-Satelliten bestätigt. Die Temperaturmessungen an einigen Punkten der Wüste ergaben Oberflächentemperaturen bis zu 70,7 °C! Die spektakuläre Wüstenlandschaft mit ihren speziellen geologischen und geomorphologischen Eigenheiten erhielt im Jahr 2016 den Status eines UNESCO-Welterbes.

Alfons Gabriel beschrieb die Wüste Lut in seinen Expeditionsberichten als bar jeden Lebens. Als Prof. Hossein Akhani, Botaniker an der Teheran-Universität und Dr. Morteza Jamali, Paläoökologe vom Institut Méditerranéen de Biodiversité et d’Ecologie Marine et Continentale (IMBE), das Gebiet im Jahr 2014 bereisten, stellte sich ihnen das allerdings ziemlich anders dar: Sie sahen einen ziemlich lebendigen Bereich. Nicht nur sie, sondern auch andere Wissenschaftler und Ökotouristen entdeckten in den vergangenen Jahren in der Wüste Lut immer wieder verschiedene Tiere: Insekten, Reptilien, Vögel und sogar Säugetiere. Akhani sagt: „In der Vergangenheit glaubten viele Forscher, dass dieses Ökosystem zu trocken und zu extrem sei, um Leben zu ermöglichen. Das stimmt offensichtlich nicht!“.

Sanddüne im Rig-e Jalan.

Vorbereitungen

Aus den ersten Beobachtungen entstand ein ganzes Bündel von Fragen: Wie (über)leben diese Tiere? Wie überstehen sie die extremen Temperaturen? Wovon ernähren sie sich? Schließlich fehlen in weiten Teilen der Lut Pflanzen vollständig, die im Allgemeinen am Anfang jeder Nahrungskette stehen.

Diese Fragen können nur vor Ort angegangen werden. Deshalb stellte Akhani eine internationale multidisziplinäre Forschergruppe zusammen: Botanik, Bakteriologie, Herpetologie, Ornithologie, Arachnologie, Entomologie, Paläontologie und sogar Hydrologie waren im November 2016 auf einer ersten zehntägigen Expedition in die Lut vertreten.

Logistisch ist eine solche Expedition auch heute noch eine Herausforderung. Extreme Temperaturen, weit und breit weder Dörfer noch Läden oder Tankstellen, an denen man sich versorgen kann: Alles musste mitgenommen werden, für zehn Personen und zehn Tage. Hunderte Liter Wasser, genug zu essen für die Menschen und Treibstoff für fünf Geländefahrzeuge, auf denen auch Zelte, Schlafsäcke und die Ausrüstung für biologische Feldstudien Platz finden mussten. Handyempfang? Fehlanzeige! Ein Arzt gehörte deshalb sicherheitshalber auch zum Team.

Leben an der heißesten Stelle!

Nach einer sehr komplexen Koordinierung und Vorbereitung begann die Reise von Shahdad in der westlichen Ecke der Lut am zehnten November. Wuchsen am Rand der Wüste noch salztolerante Pflanzen (Halophyten), verschwanden diese beim weiteren Vordringen in die Wüste allmählich und fehlten im Zentralgebiet ganz. Trotzdem gelang es uns, viele verschiedene Tierarten zu beobachten, selbst an der heißesten Stelle.

Nur wenige der Tiere waren tagaktiv. In vielen Nächten begegnete uns dagegen der Rüppellfuchs (Vulpes rueppellii Schinz, 1825). Und wenn ich nachts meine Leuchteinrichtung einschaltete, wurden verschiedene Insekten, vor allem Nachtfalter, vom Licht angezogen und ich konnte eine erstaunlich hohe Artenvielfalt erfassen!

Etliche Vogelkadaver zeigten, dass das Leben in der Wüste auch für sie gefährlich ist. Stellen Sie etwa einen wichtigen Bestandteil der Nahrung für andere Wüstenbewohner da? Alle gefundenen Vogelkadaver wurden ebenso wie die gesammelten Insekten für kommende Studien mitgenommen.

Derzeit analysieren die Expeditionsteilnehmer die mitgebrachten Proben und Daten. Gleichzeitig wird schon die nächste Reise geplant: Im Frühjahr 2017 soll es wieder in die Lut gehen. Wir haben vor, nicht nur das Geheimnis einiger spezieller tierischer Anpassungen zu entschlüsseln, sondern auch komplexere Fragen über das Leben in extrem trockenen Ökosystemen zu beantworten.

Literatur

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