Stuttgart, 07.06.2024. Der Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) ist eine der beliebtesten Gartenpflanzen und wird vor allem als Heckenpflanze eingesetzt, da die Art immergrün ist und sehr dicht wächst. Genau diese Merkmale machen den Kirschlorbeer allerdings zum potentiellen Problem, wenn er sich in heimischen Wäldern etabliert, da er möglicherweise andere Arten verdrängt. In einer Studie analysierte Dr. Stefan Abrahamczyk, Botaniker am Naturkundemuseum Stuttgart, gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Universität Bonn die Verbreitung der Pflanze im Kottenforst, einem großen Waldgebiet bei Bonn. Die Daten zeigen, dass sich der Kirschlorbeer hier etabliert, was auch in anderen mitteleuropäischen Wäldern zu beobachten ist. Dabei begünstigt der Klimawandel die starke Verbreitung der Art. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden nun in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Biological Invasions“ veröffentlicht.
Kirschlorbeer vermehrt sich selbständig im Wald
Über die Verbreitung des Kirschlorbeers ist in Deutschland wenig bekannt und er wird vom Bundesamt für Naturschutz bisher als „nicht etablierter Neophyt“ geführt. Dies sind eingewanderte Arten, die noch keine selbstständig reproduzierenden Populationen gebildet haben und meist nach wenigen Jahren wieder verschwinden. In der Schweiz hingegen gilt der Kirschlorbeer als invasiv und darf ab September 2024 nicht mehr gehandelt werden.
Als Gartenpflanze ist der Kirschlorbeer bereits seit über 300 Jahren in Europa bekannt. In Deutschland erwähnen mehrere floristische Studien der letzten Jahrzehnte Vorkommen des Kirschlorbeers außerhalb von Gartenanlagen. Bisher fehlten aber systematisch erhobene Daten zur Ausbreitung und dem Etablierungsgrad der Art. Im Kottenforst bei Bonn analysierten die Wissenschaftler*innen repräsentative Flächen, um herauszufinden, wie groß und wie alt die Population ist und wie tief der Kirschlorbeer bereits in den Wald eingedrungen ist.
Verbreitung in Wäldern durch den Klimawandel
„Mich hat an unseren Untersuchungsergebnissen überrascht, dass einige Kirschlorbeer-Pflanzen bereits sehr groß und alt sind. Die größten Pflanzen bedeckten im Kottenforst eine Fläche von 50 m² und hatten ein Alter von 30 Jahren. Die meisten Pflanzen waren aber deutlich jünger und entsprechend kleiner. Bei vielen älteren Individuen konnten wir reichliche Blüten- und Fruchtentwicklung beobachten. Einige große Kirschlorbeer Pflanzen waren zudem von einem Kreis von Jungpflanzen umgeben. Diese Beobachtungen belegen, dass sich der Kirschlorbeer im Wald selbstständig vermehrt und rechtfertigt die Kategorisierung als etablierter Neophyt. Der Klimawandel wird seine Verbreitung in Zukunft verstärken“, so Dr. Stefan Abrahamczyk.
Bei der Untersuchung wurde die Häufigkeit, Wuchshöhe und Wuchsfläche sowie die Altersstruktur und die Reproduktionsfähigkeit der Kirschlorbeerpopulation erhoben. Kirschlorbeer vermehrt sich durch die Produktion von vielen Samen stark und drängt in die Wälder. Er wächst dicht am Boden und ist dadurch eine Konkurrenz für alle anderen Unterholzarten. Zudem verändert die Pflanze die Bodenchemie, was wiederum für Bodenorganismen ungünstig ist.
Neobiota - Gebietsfremde Arten
Seit Menschen und Waren kreuz und quer über den Globus reisen, bringen diese andere Lebewesen absichtlich oder ungewollt an Orte, an denen sie vorher nicht vorkamen. Diese Entwicklung wird unterschieden in zwei Zeitabschnitte. Bis zur „Entdeckung“ Amerikas durch Kolumbus im Jahr 1492 eingewanderte oder umgesiedelte Lebewesen werden Alteinwanderer „Archäobiota“ genannt. Als Neueinwanderer „Neobiota“ gelten alle ab 1492 verschleppten Tiere „Neozoen“ genannt und Pflanzen, sogenannte „Neophyten“. Nur wenige von ihnen können in einem neuen Gebiet dauerhaft Fuß fassen, was nicht unbedingt problematisch sein muss. Zum Problem werden solche gebietsfremden Arten erst, wenn sie Arten und Ökosysteme in ihrer neuen Heimat schädigen. Dann spricht man von invasiven Neobiota bzw. invasiven Neozoen und Neophyten. In Deutschland gelten rund 900 Arten von Neobiota als etabliert, von denen nur rund jede zehnte als invasiv gilt. Welche Arten in Deutschland als invasiv gelten, entscheidet das Bundesamt für Naturschutz auf der Basis wissenschaftlich erhobener Daten.
Kirschlorbeer möglicherweise auch in Deutschland eine invasive Art
„Wir vermuten, dass aufgrund der Häufigkeit und Größe der beobachteten Pflanzen, der Kirschlorbeer auch in Deutschland invasiv sein könnte, also heimische Arten verdrängt. Dies muss allerdings noch durch bereits geplante Folgestudien belegt werden. Die erhobenen Daten stellen eine wichtige Grundlage für die Beurteilung des Einflusses von Kirschlorbeer auf die heimische Biodiversität dar und werden dem Bundesamt für Naturschutz zur Verfügung gestellt“, so Dr. Abrahamczyk.
Für die Redaktionen
Originalpublikation:
Abrahamczyk S., Otto J., Böhnert T., Weigend M. 2024. Naturalization of Prunus laurocerasus in a forest in Germany. Biological Invasions.
DOI: https://doi.org/10.1007/s10530-024-03325-2
Veröffentlicht: 06.06.2024
Kontakt für Fachinformationen:
Dr. Stefan Abrahamczyk
Kurator für die mitteleuropäische Gefäßpflanzenflora
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
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E-Mail: stefan.abrahamczyk(at)smns-bw.de
Dr. Stefan Abrahamczyk steht Ihnen für weiterführende Informationen und Interviews gerne zur Verfügung.
Pressekontakt:
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Liliana Reinöhl
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Bildmaterial:
Bild 1: Bild1_Prunus laurocerasus_Kirschlorbeer_Stefan Abrahamczyk.jpg
Beschreibung: Prunus laurocerasus verbreitet sich in mitteleuropäischen Wäldern, hier in einem Wald in Baden-Württemberg.
Urhebervermerk: Stefan Abrahamczyk
Bild 2: Bild2_Prunus laurocerasus_Plüderhausen_Stefan Abrahamczyk.jpg
Beschreibung: Kirschlorbeer in einem Waldgebiet bei Plüderhausen.
Urhebervermerk: Stefan Abrahamczyk
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