Der Klimawandel verändert unsere Umwelt derzeit schneller als je zuvor. Dadurch sehen sich viele Tier- und Pflanzenarten mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Ob sie damit zurechtkommen und sich anpassen können, hängt wesentlich von ihrer genetischen Vielfalt ab. Denn neue genetische Vielfalt entsteht nur langsam. Arten, die bereits heute über ein breites Spektrum an genetischem Material verfügen, haben daher bessere Chancen, sich an eine sich schnell verändernde Umwelt anzupassen.
Ein internationales Forschendenteam, darunter Dr. Niloofar Alaei Kakhki, Evolutionsbiologin am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart, hat eine neue Studie veröffentlicht, die zeigt, wie wichtig auch der genetische Austausch zwischen Arten sein kann. In vielen Fällen ist Fortpflanzung – und damit der genetische Austausch – über Artgrenzen hinweg nicht möglich. Nah verwandte Arten bilden jedoch oft Ausnahmen und erzeugen beim Aufeinandertreffen fruchtbare Nachkommen (Hybride), die sich wiederum mit den jeweiligen „Elternarten“ verpaaren können.
Die Studie untersuchte verschiedene Arten von Steinschmätzern, kleinen Singvögeln mit auffälligem, schwarz-weißem Gefieder. Anhand von Genen, die für die Gefiederfarbe verantwortlich sind, fanden die Wissenschaftler*innen heraus, dass eng verwandte Arten sich durch den Austausch von genetischem Material schnell an neue Umweltbedingungen anpassen konnten.
Beim östlichen Balkansteinschmätzer (Oenanthe melanoleuca) führten Veränderungen in einem einzigen Farbgen zur Entwicklung eines weißen Gefieders an Kehle und Rücken. Diese genetischen Merkmale wurden durch Hybridisierung an die eng verwandten westlichen Maurensteinschmätzer (Oenanthe hispanica) weitergegeben. Bei beiden Arten ersetzte die weiße Rückenfärbung schließlich das ursprüngliche Schwarz. Heute gibt es in beiden Arten Tiere mit schwarzer oder weißer Kehlfärbung – ein Phänomen, das als Polymorphismus bekannt ist. Dabei vermuten die Forschenden, dass das Auftreten der Farben mit den bevorzugten Nahrungsquellen der Vögel zusammenhängt.
Während neu entwickelte genetische Materialien in der Regel für die langfristige Evolution der Gefiederfärbung bei entfernt verwandten Arten verantwortlich sind, zeigt die Studie, dass nah verwandte Arten die gesamte verfügbare genetische Vielfalt – sowohl innerhalb als auch zwischen den Arten – nutzen, um sich an ihre Umgebung anzupassen.
Laut den Autor*innen der Studie ist es daher gerade in Zeiten des Klimawandels entscheidend, die genetische Vielfalt so gut wie möglich zu schützen.
Geleitet wurde die Studie von der Schweizerischen Vogelwarte. Veröffentlicht wurde der Artikel in der renommierten Fachzeitschrift „Science“.

