Warum mag künstliche Intelligenz keine Wespen?

22.05.2025 | M.Sc. Marina Moser

Können KI-Chatbots Vorurteile gegenüber Insekten haben? Wissenschaftler*innen des Naturkundemuseums Stuttgart fanden in einer neuen Studie heraus, dass zehn beliebte Chatbots Bienen und Schmetterlinge positiv darstellen, während Wespen, Fliegen und Mücken deutlich schlechter wegkommen. Dabei ignorieren die Chatbots meist einen großen Teil der biologischen Vielfalt, was schwerwiegende Folgen für den Einsatz von KI in der naturwissenschaftlichen Bildung und im Naturschutz haben kann. Marina Moser, Forschungsreferentin und Wespenexpertin am Naturkundemuseum Stuttgart, spricht in diesem Blog über Ihre Begeisterung für Wespen, die Notwendigkeit eines Image-Updates für die kleinen Tiere und wichtige Trainingseinheiten für KI-gestützte Systeme.

Eine Blattwespe der Gattung Corynis (Bild: M. Moser / SMNS)

Woher kommt die eher ungewöhnliche Begeisterung für Wespen?

Während meines Biologiestudiums wurde ich bei einem Besuch der Insektensammlung des Naturkundemuseums Stuttgart auf die faszinierende Vielfalt und Bedeutung der Wespen aufmerksam. Diese Entdeckung hat mich motiviert, Wespen zu erforschen, mein Wissen weiterzugeben und mich für ihren Schutz einzusetzen.

Anfangs führte meine Begeisterung für Wespen oft zu Missverständnissen: Bei einem meiner ersten öffentlichen Vorträge beispielsweise erzählte ich voller Enthusiasmus eine Stunde lang über die faszinierende Welt der Wespen. Doch in der anschließenden Fragerunde herrschte zunächst betretenes Schweigen. Schließlich meldete sich jemand aus dem Publikum und erklärte, dass die meisten gekommen seien, um Tipps zu bekommen, wie man sich vor Wespenangriffen schützen könne - und nun überrascht seien, dass es um den Schutz der Wespen selbst gehe.

Heute wähle ich meine Vortragstitel mit mehr Bedacht und freue mich besonders, wenn ich meinen Zuhörer*innen spannende Aha-Erlebnisse vermitteln und so einige Vorurteile gegenüber Wespen abbauen kann.

Bienen wow, Wespen au! Was steckt hinter dem Imageproblem?

Bienen stehen seit jeher für harte Arbeit und Effizienz als Honigproduzentinnen. Sie sind bekannt für gut organisierte Teamarbeit in riesigen Völkern und jedes Kind lernt, dass Bienen ganz wichtig für die Bestäubung und damit unsere Nahrung sind. Sie tauchen auf Honiggläsern auf, flattern durch Kinderbücher und sind in unserer Vorstellung die fleißigen Helferinnen der Natur. 

Wespen hingegen genießen ein weit weniger gutes Image in der Gesellschaft. Ihnen wird nachgesagt, aggressiv zu sein oder gar aus reiner Boshaftigkeit zu stechen. Die Begegnung mit den schwarz-gelben Insekten am Kaffeetisch oder beim Grillen löst meist eher Panik als Freude aus. Dieses negative Image wird durch die oft einseitige Berichterstattung in den Medien verstärkt, die die vermeintliche Bedrohung durch Wespen übertrieben darstellen. Die beeindruckende Vielfalt der Wespen, wie auch ihre wesentliche Rolle im Ökosystem, wird dabei leider häufig übersehen. 

Wie kam die Idee auf, KI-Vorurteile bei Insekten zu untersuchen?

Die Zahl der Chatbots, die mithilfe künstlicher Intelligenz Fragen beantworten und Text erstellen, wächst praktisch täglich, und damit auch die Anzahl ihrer Nutzer*innen. Diese Entwicklung entfachte eine ausgedehnte Diskussion mit meinen Kollegen: Würden Chatbots die populären Narrative um Bienen als fleißige Helden und Wespen als aggressive Störenfriede übernehmen oder stellen sie auf Nachfrage neutrale, wissenschaftlich fundierte Informationen bereit? In einer Studie beschlossen zu wir zu untersuchen, ob Chatbots Vorurteile gegenüber Wespen und anderen Wespen haben und diese mit uns teilen. 

Auf welche Weise wurde in der Studie das KI-Image von Wespen ermittelt?

Für unsere Untersuchungen fragten wir im ersten Schritt zehn beliebte Chatbots, darunter OpenAI’s “ChatGPT”, Meta’s “Llama”, Google’s “Gemini” und Microsoft’s “Copilot”, welche Wörter sie mit Bienen, Wespen, Schmetterlingen, Nachtfaltern, Fliegen und Mücken in Verbindung bringen. Zusätzlich baten wir die Chatbots, diese Insektengruppen auf einer Skala von -5, also sehr negativ, bis bis +5, also sehr positiv, zu bewerten. Im nächsten Schritt fragten wir die Chatbots nach zehn Insekten, die unbedingt im Naturschutz berücksichtigt werden müssen, um herauszufinden, ob die Chatbots die beliebteren Insekten auch hier überrepräsentieren würden. 

Top oder Flop: Welche Insekten mag die KI und welche nicht?

Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen eine interessante und zugleich herausfordernde Erkenntnis: Die großen Sprachmodelle (large language models) der Chatbots übernehmen tatsächlich unsere menschlichen Vorurteile gegenüber Insekten – insbesondere Wespen.

Während allseits beliebte Insekten wie Bienen und Schmetterlinge in den virtuellen Dialogen positiv beschrieben werden, kommen Wespen, Fliegen und Mücken schlecht weg. Dabei wurden Bienen durchweg positiv bewertet und mit Wörtern in Verbindung gebracht, die auf wichtige Ökosystemdienstleistungen und ihre Lebensweise hinweisen. Schmetterlinge wurden ebenfalls positiv bewertet und mit Wörtern beschrieben, die auf ihre Farbenpracht oder ihre Lebensweise anspielen. Wespen, Fliegen und Mücken wurden negativ bewertet und waren häufig mit wertenden Wörtern beschrieben, darunter “aggressiv”, “Schädling” oder “lästig”, oder mit Stichen und Krankheiten in Verbindung gebracht. Interessanterweise bezogen sich die Wörter, die die Chatbots mit Wespen in Verbindung brachten, hauptsächlich auf soziale Wespen, die nur einen kleinen Anteil der weltweiten Wespenvielfalt ausmachen.

Auf die Frage, welche Insekten für den Naturschutz am wichtigsten wären, nannten die Chatbots Schmetterlinge und Bienen am häufigsten und mit hoher Priorität, gefolgt von Libellen, Ameisen und Käfern. Insgesamt ergab die Auswertung, dass in den Vorschlägen für den Naturschutz nordamerikanische Arten deutlich häufiger und europäische Arten etwas häufiger genannt werden als solche, die etwa in Afrika, Asien oder Australien vorkommen. 

"Lieber Chatbot, welche Wörter verbindest du mit Bienen (A), Wespen (B), Schmetterlingen (C), Nachtfaltern (D), Fliegen (E) und Mücken (F)?" Wörter, die häufig mit Bienen assoziiert werden, beziehen sich eher auf deren ökologische Funktion und sind positiv, während andere Insektengruppen sowohl mit positiven als auch mit negativen Wörtern beschrieben werden. Öfter genannte Wörter werden größer dargestellt. (Bild: M. Moser / SMNS)

Welche Bedeutung haben KI-Chatbots für Umweltbildung und Naturschutz?

Unsere Ergebnisse verdeutlichen, wie stark Chatbots von populären Narrativen und menschengenerierten Verzerrungen beeinflusst werden. Gleichzeitig werden sie immer beliebter und haben großes Potenzial, im schulischen Kontext interaktive und personalisierte Lernerfahrungen zu bieten, die das Verständnis von Schüler*innen für komplexe ökologische Interaktionen im Ökosystem vertiefen können. Außerdem könnten KI-basierte Chatbots Lehrkräfte dabei unterstützen, Bildungsinhalte an individuelle Lernstile und Bildungshintergründe anzupassen, was die Zugänglichkeit und Inklusivität in der Umweltbildung deutlich erhöhen könnte. Grundlage für diese Anwendungen ist eine korrekte, wertneutrale Darstellung wissenschaftlicher Informationen. 

Darüber hinaus dienen KI-basierte Chatbots zunehmend als Informationsquelle, welche die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen. So kann die unausgewogene Darstellung verschiedener Insekten, die in erster Linie auf gesellschaftlichen Vorurteilen anstelle der realen Bedeutung dieser Insekten im Ökosystem beruht, die Schwerpunktsetzung wie auch die gesellschaftliche Akzeptanz für Naturschutzmaßnahmen beeinflussen. Ein verbesserter Umgang mit der Darstellung von Insekten durch KI-Chatbots könnte helfen, Vorurteile zu verringern und die öffentliche Unterstützung für umfassendere Naturschutzbemühungen zu stärken—ein wichtiger Schritt für den Erhalt der biologischen Vielfalt. 

Braucht die KI eine extra Trainingseinheit, wenn es um Wespen geht?

Es ist tatsächlich wichtig, KI-gestützten Systemen wie Chatbots eine umfangreichere und ausgewogenere Datengrundlage zur Verfügung zu stellen. Dabei könnte es beispielsweise helfen, mehr wissenschaftliche Fachliteratur als Datengrundlage zu verwenden, um sicherzustellen, dass diese Systeme nicht unüberlegt weitverbreitete menschliche Vorurteile übernehmen. Wissenschaftskommunikation und Bildung spielt eine Schlüsselrolle in der Lösung der fortschreitenden Biodiversitätskrise. Wir wissen, wie wichtig intakte Ökosysteme und ihre Dienstleistungen für das Überleben der Menschheit sind. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Biodiversität auf allen Ebenen zu erhalten – von der genetischen Vielfalt bis hin zur Vielfalt der Ökosysteme. Deshalb werde ich nicht nur meine Forschung vorantreiben, sondern auch weiterhin Vorträge halten, die Lust auf “Wespenschutz” machen.

Literatur

Moser, M., Krogmann, L. and Wanke, D. (2025), Some Insects Are More Equal Than Others: A Comparison of Popular Large Language Model Chatbots' Treatment of Different Insect Groups. Integrative Conservation. https://doi.org/10.1002/inc3.70013

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